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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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dringende Unterredung bat und sich dafür entschuldigte, nicht selbst zu ihm kommen zu können. Simon war gespannt, was sein Bruder ihm so Wichtiges mitzuteilen hatte. Er war der Meinung gewesen, dass Henry ihm schon alles, was er über Malvoisier und die Belagerung von Grafton wusste, erzählt hatte.
    Als er eintrat, sah er Muna am Bett seines Bruders sitzen. Die beiden waren ganz in ihr Gespräch vertieft. Henry lachte über etwas, was das Mädchen gesagt hatte, und Muna neigte sich zu ihm. Ihr Gesicht zeigte mehr Lebhaftigkeit, als er je bei ihr gesehen hatte. Endlich konnte er verstehen, was sein Bruder in ihr sah. Sie strahlte eine Wärme und Sanftheit aus, die sehr ansprechend war.
    Kaum hatte sie ihn gesehen, stand Muna sofort auf, und die Freude in ihrem Gesicht erlosch. Mit einem leisen Wort des Grußes schlüpfte sie hinaus. Simon seufzte. Muna schien in der Gegenwart seines Bruders vergessen zu können, dass sie auf entgegengesetzten Seiten standen. Aber er, als Eroberer Graftons, war die Personifikation dieses Konflikts. Es gab viele andere im Haushalt, die ihm ebenfalls aus dem Weg gingen. Sie konnten ihre Sympathie für die royalistische Sache nicht einfach aufgeben. Alles, was er von ihnen erwarten konnte, war ein vorsichtiger Respekt, und den musste er sich erst noch verdienen. Er wusste, dass es immer eine schwierige Zeit war, wenn die Herrschaft eines Mannes von einem anderen abgelöst wurde, zumal wenn es die Besatzung durch einen Feind war. Die Menschen von Grafton hatten Malvoisiers Verwüstungen miterleben müssen, und er hatte behauptet, ihr Verbündeter zu sein. Vermutlich hatten sie Angst davor, was die neue Herrschaft ihnen bringen würde, und es würde lange dauern, bis sie ihm endlich vertrauen konnten.
    Er setzte sich auf Munas Stuhl neben Henrys Bett. Ein Buch mit Liebesgedichten lag auf dem Tisch. Er nahm es und drehte es vorsichtig in den Händen. Er erinnerte sich, dass Henry selbst Ambitionen gehabt hatte, ein Dichter zu werden, und dass er einmal sarkastisch angemerkt hatte, dafür auf der falschen Seite zu kämpfen. Denn es waren die Höflinge, die zwi schen den Schlachten Sonette schrieben.
    „Mistress Grafton kümmert sich sehr um dein Wohlergehen“, stellte er fest, als er sich mit einem tiefen Seufzen im Stuhl zurücklehnte. „Jedes Mal, wenn ich dich besuche, treffe ich sie hier.“
    Henry errötete und sah plötzlich sehr jung aus. Er hatte das gleiche dunkle, attraktive Aussehen wie sein Bruder, aber er schien weicher. Trotz all seiner Erfahrungen hatte er noch nicht die Härte, die das Soldatenleben Simon verliehen hatte. „Sie ist ein Engel. Ich verdanke ihr sehr viel.“
    Simons Brauen hoben sich. „Genug, um zu vergessen, dass sie auf der Seite der Royalisten steht?“
    Henry verzog das Gesicht. Er drehte den Kopf auf dem Kissen, sodass er seinem Bruder in die Augen sehen konnte. „Wir vergessen es nicht, Simon. Wir sprechen nur nicht darüber.“
    Simon schwieg, in Gedanken versunken. Er erinnerte sich an den Bruch mit ihrem Vater. Es war etwas anderes, aber er verstand, wie so eine große Sache zwischen Henry und Muna unausgesprochen im Raum stehen konnte. Denn sobald einer von ihnen das Thema ihrer gegensätzlichen Loyalitäten anschneiden würde, könnten sie es nie wieder ignorieren. Es würde die vorsichtig geknüpften Bande zwischen ihnen zerstören, und es gäbe kein Zurück. Sie genossen diese erste vorsichtige Liebe, solange es ging, denn sie wussten beide, dass der Tag unweigerlich kommen würde, an dem sie gezwungen sein würden, zwischen ihrer Liebe und ihrer Loyalität zu wählen. Es erinnerte ihn an seine jugendlichen Gefühle für Anne, und für einen Augenblick fühlte er einen seltsamen Schmerz des Verlustes. Er wusste, dass es für sie und ihn nie wieder so sein könnte.
    „Ich habe gehört, dass du Mistress Grafton dein Leben verdankst“, sagte Simon ernst.„Sie hat dich während der schlimmsten Zeit deines Fiebers gepflegt. So eine Schuld bürdet einem Mann viel Dankbarkeit und manches andere auf.“
    Henry nickte. Unruhig zupfte er an seiner Decke herum und wich dem Blick seines Bruders aus. Eine hektische Röte erschien auf seinen Wangenknochen.
    Simon überlegte, ob es wohl ein Wiederaufflackern des Fiebers wäre oder ob etwas anderes dahintersteckte. Als Kind hatte Henry oft lange gezögert, ihm das Schlimmste zu erzählen, ob es sich nun um einen Kinderstreich oder etwas Ernsteres handelte, das den Zorn ihres Vaters heraufbeschwören

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