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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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ein Fehdehandschuh zwischen ihnen. Er sah Wut und Unsicherheit in ihrem Blick. Sie streckte die Hand nach dem Dolch aus, und er fragte sich, ob er gerade den größten Fehler seines Lebens begangen hatte. Aber dann wandte sie ihm abrupt den Rücken zu.
    „Ihr scherzt“, sagte sie über ihre Schulter. „Wenn ich es versuchen würde, wäre es Euch ein Leichtes, mich zu überwältigen.“
    Simon ergriff ihr Handgelenk und wirbelte sie herum, sodass sie ihn ansehen musste. „Ihr versteckt Euch hinter Ausreden. Die einfache Wahrheit ist, dass Ihr nicht wagt, mich niederzustechen, weil Ihr tief in Eurem Herzen wisst, dass ich Euch etwas bedeute. Ihr habt es selbst gesagt, als Ihr davon spracht, Henrys Leben gerettet zu haben. Ihr könnt Euch nicht von den Erinnerungen an die Vergangenheit befreien.“
    Annes Augen verengten sich vor Wut. „Das war etwas anderes“, erwiderte sie schroff und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie nur umso fester. „Ich habe keine Angst, es zu tun“, schleuderte sie ihm entgegen.
    Simon warf ihr ein herausforderndes Lächeln zu. „Auf was wartet Ihr dann noch?“ Er konnte fühlen, dass sie zitterte.
    „Wenn ich Euch niedersteche, wird jeder parlamentarische Soldat in Grafton darauf brennen, mich zu töten. Ihr versucht, mich zu einer Dummheit zu verführen, Lord Greville.“
    „Ich versuche nur, Euch zu beweisen, dass Ihr es niemals tun könntet. Ihr mögt ja meine Sache hassen, aber mich hasst Ihr nicht, Anne. Gebt es endlich zu.“
    Er sah die Verwirrung in ihren Augen. Er wusste, dass sie ihn hassen wollte. Sie hasste alles, wofür er stand, aber sie würde nicht den Dolch nehmen und alles beenden. Sie konnte es nicht. Er lockerte seinen Griff, bis er nur mehr einer zärtlichen Berührung glich. „Versteht Ihr?“, sagte er. „Ihr werdet mich akzeptieren. Ihr werdet Grafton in die Hände der Parlamentarier geben.“
    Annes freie Hand traf sein Gesicht mit einem schallenden Klatschen, das ihre Antwort deutlicher machte, als alle Worte es gekonnt hätten. Er ließ ihr Handgelenk los. Seine Hand wanderte an seine Wange, während Anne nach dem Dolch griff und ihn gegen seine Kehle richtete. „Hinaus!“, sagte sie. „Führt mich nicht weiter in Versuchung, Lord Greville, oder Ihr werdet diese Klinge zwischen Euren Rippen spüren.“
    Simon fühlte, wie sich seine Lippen in widerwilliger Bewunderung zu einem Lächeln verzogen. „Mylady …“
    „Hinaus“, wiederholte Anne. „Die Zeit wird kommen, da ich meine Rache bekomme.“
    Als Simon die Tür hinter sich schloss, hörte er, wie sich der Dolch in die Eichentür bohrte und die hölzernen Bretter in seinem Rücken zum Splittern brachte.

6. KAPITEL
    Anne war allein in ihrem Zimmer. Sie hatte Muna und Edwina fortgeschickt, da sie einige Zeit für sich brauchte.
    An diesem Abend würde die Totenfeier für ihren Vater stattfinden, und zum ersten Mal gestand sie sich ein, dass der Earl wirklich tot war. Nun war sie ganz allein.
    Sie wollte sich nicht an den vom Fieber geschwächten Mann, der sein Leben letztendlich fast ohne Widerstand aufgegeben hatte, erinnern, sondern an den starken und mächtigen Beschützer Graftons. Das war der Mann, der heute Abend geehrt werden sollte. Sie ließ ihren Blick noch einmal durch den Raum schweifen. In diesem Moment war er ihr eine Zuflucht, aber sie wusste, dass sie nicht länger warten konnte. Sie musste zu ihren Leuten. Sie erwarteten es.
    Anne holte tief Atem, strich ihr schwarzes Kleid mit einer schnellen, fahrigen Geste glatt und öffnete die Tür. Die Wache, an die sie sich schon gewöhnt hatte, war verschwunden. An ihrer Stelle stand Simon Greville da. Einen Augenblick lang sahen sie einander schweigend an. Anne wusste, dass an diesem Abend die Feindseligkeiten zwischen ihnen zumindest für eine kurze Zeit keine Bedeutung hatten. Denn nun würden sie dem toten Earl ihren Respekt erweisen.
    Simon verbeugte sich. Statt in seiner Uniform war er nun ganz in Schwarz gekleidet, und die einfache Strenge des Gewandes passte gut zu ihm. „Guten Abend, Mylady. Seid Ihr bereit?“
    „So bereit, wie ich es denn sein kann.“ Anne unterdrückte ein leichtes Zittern. Sie würde niemals bereit sein, die Veränderungen in Grafton zu akzeptieren. Aber sie hatte keine Wahl.
    Vorsichtig legte sie die Hand auf den ihr dargebotenen Arm. Auch wenn sie Simon kaum berührte, war sie sich seiner unmittelbaren Nähe doch sehr bewusst. Der Stoff seines Ärmels war leicht rau, aber

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