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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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erfüllt von lauernder Erwartung. Und Anne wusste, dass sie in der Falle saß.
    Simons Geste abzulehnen würde unnötig feindselig erscheinen und viele brüskieren. Es würde mangelnden Respekt an die Erinnerung ihres Vaters andeuten, so ungnädig zu sein. Andererseits wäre es töricht, seine Offerte anzunehmen, denn sie wusste, dass er mehr als schöne Worte und dazu passende Taten anbot. Ihre Leute verstanden das auch. Simon Greville bot Schutz und Frieden für ein Land, dass von Verlust und Krieg erschöpft war. Er stand hoch in der Gunst der Parlamentarier und konnte die Menschen hier vor weiteren Verwüstungen durch so skrupellose Männer wie Gerard Malvoisier schützen. Er war stark, und sie fühlten, dass er rechtschaffen und gerecht war. Die komplizierten Verwicklungen von Loyalitäten zu König oder Parlament waren ihnen egal. Ihre unverbrüchliche Treue galt einem Herrn, der sie beschützen konnte, und Anne, die sie durch die düsteren Tage der Krankheit ihres Vaters und Malvoisiers Brutalität geführt hatte. Und nun sahen sie zu ihr, damit sie ihnen den weiteren Weg zeigte. Schwer fühlte sie das Gewicht ihrer Erwartung auf sich lasten.
    Schließlich streckte sie die Hand aus und griff nach Simons Schwert. Es glitt weich in ihre Hand, leicht und kraftvoll und Angst einflößend, genau wie sie es schon einmal gespürt hatte, in der Nacht, in der sie gedroht hatte, Simon mit ihm zu töten.
    Ein erwartungsvolles Einatmen ging durch die Halle, irgendwo zwischen Erschrecken und Hoffnung. Anne sah, wie Simons Augen voller Befriedigung, Triumph und dem machtvollen Bewusstsein der Eroberung aufleuchteten. Ihre Blicke trafen sich, und ein seltsames Gefühl erfüllte sie, als würde sie in die Dunkelheit fallen. Sie kämpfte um festen Boden unter den Füßen.
    „Euer Angebot, Grafton zu schützen, ist eine große Ehre, Mylord“, sagte sie förmlich. „Aber leider gilt unsere Treue dem König, und wir müssen ablehnen.“
    Es erhob sich ein Gemurmel von Stimmen, einige zustimmend, andere nicht. „Und wo ist der König, wenn wir ihn brauchen?“, rief der Schmied, sein Gesicht von Verbitterung und Alkohol gerötet. „Ihm ist es egal, ob wir hier verrotten! Verdammt soll er sein!“
    „Das ist Hochverrat“, erwiderte Anne scharf. Die Stimmen verstummten sofort, aber die Atmosphäre in der Halle war jetzt angespannt. Anne wusste, dass sie auf dünnem Eis stand. Sie würde Simon in der Öffentlichkeit höflich begegnen, aber mit keinem Wort und keiner Tat würde sie ihren Treueschwur verraten. Falls den Menschen von Grafton das egal war – und sie wusste, dass es viele gab, die jetzt davon sprachen, Simon und die Parlamentarier zu unterstützen –, dann tat ihr das leid. Sie jedenfalls würde sich selbst und ihre Treue nicht verkaufen. Anne sah, wie sich Simons Lächeln verbreiterte, und ihr Herz machte einen Satz.
    „Lady Anne“, sagte er, „wenn Ihr mich als Ehemann akzeptiert, gehört Eure Treue mir.“
    „Eine Hochzeit!“, rief jemand. „Eine Hochzeit, um die Zukunft von Grafton zu sichern!“ Annes Augen verengten sich. Sie erinnerte sich an die Worte ihres Vaters, der gesagt hatte, dass Simon Greville um sie anhalten würde und dass sie ihn akzeptieren sollte, weil er ein guter und starker Mann sei, der sie beschützen konnte, und sie hatte die Ängste ihres Vaters verstanden. Er wusste, dass er im Sterben lag und hatte ihre Zukunft und ihre Sicherheit über alles andere gestellt. Aber sie sollte verdammt sein, wenn sie den Wil len des Earls, und sei es auch sein letzter Wunsch, erfüllen würde, besonders nachdem Simon ihr in aller Öffentlichkeit einen Antrag gemacht hatte und sie damit vor allen anderen zu einer Entscheidung zwingen wollte.
    Sie drehte das Schwert bewusst um und hielt es ihm entgegen. „Jetzt erweist Ihr mir zu viel Ehre, Lord Greville. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, aber ich muss Euren Antrag leider ablehnen. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt.“ Sie schob ihren Stuhl zurück, raffte ihre Röcke mit einer Hand und stieg vom Podest. Als sie auf die Tür zuging, schwoll hinter ihr das Gemurmel an. Sie hörte einzelne Wortfetzen. Einige argumentierten für Frieden und Schutz um jeden Preis, andere waren dafür, dem Schwur an den König treu zu bleiben. Etliche Leute sahen sie aus den Augenwinkeln an, ein paar feindlich, andere voller Verständnis. Anne fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Dieses sollte eigentlich die Totenfeier für ihren Vater sein, und schon

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