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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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amüsiertem Unverständnis. Simon seufzte. Er würde nicht aufhören, Grafton zu durchsuchen – es Stein für Stein auseinanderzunehmen, wenn nötig –, bis der Schatz gefunden war.
    Und genau das war der Punkt, der ihn immer noch verwirrte. Er konnte verstehen, dass Anne zustimmte, die Unterwerfungsurkunde zu unterschreiben, um die zu retten, die sie liebte, aber er konnte nicht verstehen, dass sie es tat, um den Schatz des Königs zu schützen. Letztendlich war ein Schatz doch nicht mehr als Juwelen, Silberzeug oder Geld. All das war es nicht wert, dass man sein Leben dafür opferte. Und doch war es für Anne wichtiger als alles andere. Er hatte die Verzweiflung in ihrer Stimme gehört, als sie mit ihm darum gehandelt hatte, seine Suche abzubrechen, und er verstand nicht, warum sie es tat.
    Er ging zurück zum Schreibtisch, faltete das Dokument zusammen und legte es in eine der Schubladen. Er würde Fair fax schreiben und erklären, dass Anne sich geweigert hatte, es zu unterzeichnen, und dass er weiter versuchen würde, sie zu überzeugen und den Aufbewahrungsort des Schatzes zu ergründen. Aber er wusste, dass er weder ihre Bediensteten noch ihre Cousine verhören würde, um die Wahrheit herauszufinden. Der Edelmut, den Anne gezeigt hatte, verdiente von ihm eine gleichwertige Antwort. Vielleicht war er ein Narr, aber er konnte Annes Anvertraute nicht benutzen, da er sie damit nur verletzte. Er schloss die Schublade und nahm wieder die Feder zur Hand. Beinahe hätte er alles erreicht, was er wollte: das Gut, den Schatz und Anne Grafton selbst. Doch er erkannte, dass ein Teil von ihm erleichtert war, dass sie nicht nachgegeben hatte. Er hatte sie schon immer respektiert. Und er wollte nicht genau das zerstören, was er so an ihr bewunderte.
    Leise öffnete Anne die Tür ihres Zimmers und spähte den Gang hinunter. Kurz zuvor hatte die Kirchenglocke halb zwei geschlagen. Die Nacht war still, und sie hatte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Es war Zeit, nach dem Schatz des Königs zu sehen.
    Am Morgen zuvor hatte Pater Michael ihr einen weiteren Brief überbracht. Wie der vorige mahnte er zur Vorsicht, aber er hatte auch Hoffnung versprochen. Schon bald würde eine Nachricht mit den Anweisungen zur Übergabe des Schatzes eintreffen. Eine Woche, vielleicht zwei … Anne wusste, dass sie bereit sein mussten.
    Nachts standen stets zwei Wachen vor ihrer Tür, und als sie in den Gang hinaustrat, sahen beide sie erstaunt und, wie es schien, ziemlich erschrocken an. Einer war ein bartloser Jüngling, von dem sie wusste, dass er ein neuer Rekrut war, der andere war Will Jackson, der Standishs Platz als Captain der Garnison eingenommen hatte. Dass Simon tatsächlich einen Captain als Wache einsetzte, schien zu bedeuten, dass er kein unnötiges Risiko eingehen wollte.
    „Captain Jackson.“ Sie lächelte den jungen Soldaten kokett an, um ihn zu verwirren. „Es tut mir so leid, dass ich Euch stören muss. Ich fürchte, ich kann nicht schlafen, und ich glaube, dass ein Augenblick der stillen Besinnung in der Kirche mich beruhigen könnte.“
    Jackson schien zu schwanken. Er hatte wohl gehofft, dass sie während seiner Wache nichts Verdächtiges tun würde. Sein Glück hatte ihn heute Nacht offensichtlich verlassen.
    „Madam.“ Er verbeugte sich steif. „Ich bedaure, aber ich muss Euch bitten, in Euer Zimmer zurückzukehren. Es ist nicht sicher für Euch, nachts allein herumzuwandern.“
    „Welche Gefahr sollte mir in meinem eigenen Heim drohen? Und mit all den Wachen?“ Sie seufzte. „Ich möchte nur für einen kurzen Moment in der Kirche Trost suchen.“
    Sie sah, wie Jackson nachdenklich die Stirn runzelte. Anne spürte, dass er ihr in einem ersten Impuls nachgeben wollte. Nur ein Mann mit einem Herz aus Stein würde der Tochter des Hauses, die erst kürzlich einen so schmerzlichen Verlust erlitten hatte, den Trost des Gebets verwehren. Aber er hatte seine Befehle, und die würden ganz sicher verbieten, sie des Nachts allein herumgehen zu lassen …
    „Ich werde Euch in die Kirche begleiten, Madam“, sagte er schließlich.
    Anne schüttelte den Kopf. „Bitte nicht, Captain. Trauer sucht die Einsamkeit. Ich bin mir sicher, dass Ihr das versteht.“
    Jackson errötete. „Ich werde Euch zur Kirche geleiten und draußen auf Euch warten“, beharrte er. „Curtis“, er wandte sich dem jungen Soldaten zu, „erstattet Lord Greville Bericht.“
    Anne verbiss sich ein Lächeln, als sie hinter Captain Jackson herging.

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