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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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wenigstens hatte sie dabei sich selbst gefunden.
    Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick auf Westons Brief. In ihrem Zorn hatte sie ihn zusammengeknüllt und in eine Ecke des Zimmers geworfen. Langsam ging sie hinüber, hob ihn auf und strich das Papier glatt.
    Sie hatte sich gefunden? Welch eine Lüge. Nichts hatte sie gefunden, nichts als die Gewissheit, dass endlos lange Jahre der Einsamkeit vor ihr lagen. Alles Gute in ihrem Leben war fort, verloren. Sie hatte es so gewollt, oder? Weston hatte sie sich schwach und ohnmächtig fühlen lassen. Wieder einmal.
    Schützend legte sie sich die Hand an den Bauch, meinte noch immer, den schwachen Nachhall der Krämpfe zu spüren.
    Nein. Nein. Diesmal nicht.
    Glühender Zorn erfüllte sie. Genug Wut, um sie alle Angst vergessen zu lassen, jene Leere zu füllen, die Weston in ihr hinterlassen hatte.
    Niemals wieder.
    Sie warf einen letzten Blick auf den verhängnisvollen Brief in ihrer Hand, dann faltete sie ihn sorgsam zusammen. Seltsam, ihre Hände hatten aufgehört zu beben.
    „Niemals wieder werde ich schwach und hilflos sein“, schwor sie sich, steckte den Brief in ihre Rocktasche und griff nach ihrem Umhang.
    „Sir Mark.“
    Mark hatte sich in seine Gemächer im Stadthaus seines Bruders zurückgezogen. Er hatte sich einen Fingerbreit Brandy eingegossen – nein, keinen Apfelbrandy, das hätte er nicht ertragen –, aber noch keinen Schluck getrunken. Nun sah er auf.
    „Sie haben Besuch“, meldete der Butler, ohne auch nur die Miene zu verziehen. „Ich habe sie wieder in den Blauen Salon geführt.“
    Sie. Es musste Jessica sein. Er wünschte, sich darüber freuen zu können, empfand jedoch nur Erschöpfung. Er war zu dem Schluss gelangt, dass Wut und Angst bei Jessica fast auf dasselbe hinausliefen. Er hatte auch gewusst, dass sie wieder zur Vernunft kommen und sich entschuldigen würde.
    Er wusste indes nicht, wie sich derlei Zerwürfnisse künftig verhindern lassen sollten.
    Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich, um sich zu ihr zu begeben.
    Sie hatte sich nicht gesetzt. Unruhig ging sie im Kreis, immer um das Sofa herum. Sie war so schön, dass ihm fast der Atem stockte, so lieblich und reizend, dass er ihr ihren Gefühlsausbruch, ihre verletzenden Worte fast auf der Stelle vergeben hätte, wäre da nicht diese Furcht in seinem Herzen, die ihm sagte, dass es wieder und wieder geschehen würde, ein nie enden wollender Reigen aus Angst, Vorwürfen und Zerwürfnissen. Das wollte er nicht. Und sie … sie hatte Besseres verdient.
    Als sie ihn sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. „Mark“, flüsterte sie.
    Er wusste nicht, was er sagen sollte, wusste nicht, ob er einfach die Arme ausbreiten oder sich abwenden sollte. Er war müde. Er war durcheinander. Er hatte noch kaum Gelegenheit gehabt, über all das nachzudenken, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte.
    Seine widerstreitenden Gefühle mussten ihm deutlich anzusehen sein, denn sie nickte nur und zog etwas aus ihrer Rocktasche.
    „Diesen Brief habe ich am frühen Abend erhalten“, sagte sie. „Ehe du zu mir kamst.“
    Er näherte sich ihr gerade so weit, um den Brief entgegenzunehmen, den sie ihm hinhielt. Er faltete ihn auseinander und fing zu lesen an. Erpressung. Andeutungen. Kein Wunder, dass sie Angst hatte. Wahrscheinlich hatte sie mehr Angst um ihn als um sich selbst. Mark fürchtete gar, dass sie niemals aufhören würde, sich seinetwegen zu sorgen. Tief in ihm regte sich Zorn, maßloser Zorn.
    „Ich könnte ihn umbringen“, sagte Mark. Seine Stimme klang ihm seltsam kalt und fast schon beiläufig in den Ohren. Er sah sie an. Wie blass sie war. Alles Blut war ihr aus den Wangen gewichen. Wut und Angst lagen bei ihr wahrlich nah beieinander. Und als sie ihm vorhin gestanden hatte, wie schwach und ohnmächtig sie sich fühlte, war wohl mehr Wahrheit dabei gewesen, als er hatte wahrhaben wollen.
    Er machte einen Schritt auf sie zu. „Ich könnte ihn umbringen“, wiederholte er, jetzt ruhiger, „doch bin ich mir nicht sicher, was es dir bringen sollte. Ich hatte dir einst versprochen, dein Ritter zu sein, dein Beschützer, und alle Schlachten für dich zu schlagen. Aber ich glaube, nicht das ist es, was du von mir willst.“
    Stumm schüttelte sie den Kopf.
    „Du hast stets deine eigenen Schlachten geschlagen“, sagte er. „Warst dein eigener Ritter und bist dir selbst zu Hilfe geeilt. Ich bin eher zufällig des Weges gekommen und konnte den Glanz deiner Rüstung bewundern.“
    Er faltete den

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