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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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jungen Männer dann Mitgliedsausweise bei sich, auf denen sein Rat verballhornt wurde? Es war nur ein Buch, Himmelherrgott, verfasst von einem ganz normalen Menschen, es waren keine in Stein geschlagenen Tafeln, die göttliches Wort verkündeten.
    Mit feierlich geschwellter Brust fuhr Tolliver fort: „Wir, die Kameraden der Brigade Männlicher Keuschheit, haben uns sein Bekenntnis zu eigen gemacht, haben uns Anstand und Rechtschaffenheit geschworen und gelernt, der Versuchung zu widerstehen und sie auszutreiben, wo immer sie sich zeigen mag.“
    Voller Ingrimm musste Mark an Jessica denken und daran, wie sie versucht hatten, sie aus dem Dorf zu vertreiben.
    „Heute Abend“, schloss Tolliver, „wird Sir Mark zu uns sprechen und uns sagen, wie wir unsere Keuschheit wahren können – etwas, das uns alle angehen sollte. Ich zumindest werde ganz Ohr sein.“
    Applaus brandete auf, begleitet von einzelnen Jubelrufen. Mark schwirrte schon jetzt der Kopf.
    Es wäre vergebens, all jene zu zählen, die ihn hatten hören wollen. Mark hatte einige Reden gehalten, stets aber mit gemischten Gefühlen. Schlimmer noch, als mit einer einzigen Person Konversation zu betreiben, war es, gleich Hunderte anzusprechen. Die erwartungsvollen Blicke der Menge bohrten sich in ihn wie kleine Messerklingen.
    Immer wurde erwartet, dass er ein ausnehmend guter Redner sei; meist war er froh, sich als kein unrühmlicher zu erweisen. Für den heutigen Abend hatte er seine üblichen Anmerkungen und Erläuterungen vorbereitet, eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte seines Buchs. Daran würde er wie üblich die Bitte anschließen, doch nicht zu vergessen, dass auch er nur ein ganz gewöhnlicher Mann war und beileibe kein Heiliger.
    Als er letztere Bitte das erste Mal in Worte gefasst hatte, erwartete er vor Enttäuschung einen Aufruhr. Vielleicht hatte er sogar insgeheim gehofft, jemand würde aufstehen und sagen: „Er hat recht! Habt ihr gehört, was er gerade gesagt hat? Sir Mark ist ein elender Heuchler, ein Hochstapler, ein Betrüger! Weshalb haben wir je auf sein Wort gehört?“
    Er hatte gehofft, es käme zu Tumulten, die Zeitungen und Gazetten würden ihn in einem Maße verteufeln, wie sie ihn zuvor vergöttert hatten. Und in ein paar Monaten hätte alle Welt ihn vergessen, und alle eifernde, unerklärliche Bewunderung würde sich jemandem zuwenden, der dessen würdiger wäre.
    Doch je mehr er betonte, wie durchschnittlich er sei, desto größer die Begeisterung, die ihm entgegenschlug. Man schien zu glauben, er spreche aus falscher Bescheidenheit. Dass er schlicht und ergreifend die Wahrheit sprach, schien niemandem in den Sinn zu kommen. Selbst wenn er verkündet hätte, einen Bund mit dem Teufel geschlossen zu haben, wären sie ihm wohl in Scharen gefolgt, hätten seinen klugen Verstand, sein taktisches Vorgehen gar nicht hoch genug loben können. Ein Bund mit dem Teufel, alle Achtung! Sie hätten ihm anerkennend auf die Schulter geklopft. Und hätte er Interesse an ihren Seelen bekundet, würden sie sie ihm willig gegeben haben, wie berauscht, dass der große Sir Mark sie seiner für würdig empfand.
    Wieder schweifte sein Blick zu Jessica. Er erschien den Leuten in Shepton Mallet als unfehlbar – ganz anders als sie, die ihnen nichts hatte recht machen können, die ihnen nicht recht gewesen war, bis er sich für sie eingesetzt hatte. Beide zogen sie das Interesse der Dorfbewohner auf sich. Er bekam Lob, sie Tadel. Dabei wusste Mark sehr genau, dass er es gewesen war, der bei ihrer letzten Begegnung ihre Brust umfasst, er es gewesen war, der sie geküsst hatte. Und nun stand er hier vor versammelter Menge und sollte über Keuschheit sprechen, wo seine Gedanken im Lauf der letzten Woche stetig an Unsittlichkeit gewonnen hatten.
    So gegensätzlich schienen sie, die Kluft zwischen ihnen kaum zu überwinden. Dann fiel sein Blick auf den Pfarrer, der neben ihr saß. Sie trug ein Kleid für den Abend, völlig respektabel für eine Veranstaltung wie diese. Respektabel wohl … doch konnte feiner Spitzenbesatz kaum ihre weiblichen Rundungen verbergen. Immer wieder wandte der Pfarrer diskret den Kopf, um einen Blick auf ihr Dekolleté werfen zu können. Und da war es um Marks sorgfältig geplante, uninspirierte Rede geschehen.
    „Guten Abend“, grüßte er sein Publikum mit weit tragender Stimme, die selbst das letzte Gemurmel zum Verstummen brachte. Gespannt beugte die Menge sich vor. „Normalerweise“, hörte er sich sagen,

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