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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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sprechen.“
    „Über Keuschheit“, vermutete sie.
    Er nickte. „Dieser Tage hätte ich wahrlich einen Orden verdient für meine Zurückhaltung.“ Mit einem leisen Kopfschütteln fügte er hinzu: „Bitte kommen Sie. Gestatten Sie mir, Sie danach nach Hause zu begleiten. Ich … ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen nach Gesellschaft zumute ist.“
    Sie hatte ihn gewarnt. Sie hatte ihm geraten, sich von ihr fernzuhalten. Wenn er indes darauf beharrte … Wenn er sich wie ein Falter von der Flamme verzehren lassen wollte – nun, stand es ihr da zu, ihn vor dem Verderben zu bewahren? Vielleicht war es ja ihr Schicksal, ihn zu ruinieren, ihn auf Abwege zu führen, wie einst auch Guinevere Sir Lancelot verführt hatte.
    „Ja“, erwiderte Jessica leise. „Ich werde kommen.“ Die Worte klangen ihr lästerlich in den Ohren.
    Am Abend, so durfte Mark mit einer gewissen Genugtuung feststellen, war die Kirche zeitig bis auf den letzten Platz gefüllt. Es gab wenig Erhebenderes als das leise Raunen und Flüstern einer versammelten Menge, ehe man zu seiner Ansprache ansetzte und alle mit einem Schlag verstummten. Doch ehe es so weit war, blieb ihm noch genügend Zeit, sich auszumalen, was alles während seiner Rede geschehen könnte. Ein Tumult könnte ob seiner Worte ausbrechen – wenn seine Zuhörer vorher nicht längst eingeschlafen waren.
    Da das Rathaus keine ausreichenden Räumlichkeiten für ein so großes Publikum bot, hatte der Pfarrer seine Kirche an diesem Abend der Brigade Männlicher Keuschheit überlassen. Rasch hatten sich die Reihen gefüllt. Fast hatte es den Anschein, als hätte sich die ganze Gemeinde – und die Nachbargemeinden gleich noch dazu – zu der von dem jungen Tolliver organisierten Veranstaltung eingefunden. Erstaunlich, dachte Mark, wie schnell es sich herumgesprochen hatte. Aber eigentlich war es das wieder nicht.
    Jessica saß weit vorn. Es sah so aus, als würde man sie langsam akzeptieren. Das gefiel ihm. Sie hatte den Platz neben der besonders tugendhaften Mrs Metcalf, was fast schon einem Ritterschlag gleichkam. Und doch entging Mark nicht, dass die Männer nach wie vor Abstand zu ihr hielten – oder aber von ihren Frauen auf Abstand gehalten wurden. Bis auf Mr Lewis, der sich den Platz zu ihrer anderen Seite gesichert hatte. Jessica sah starr geradeaus und verzog keine Miene, während der Pfarrer mit ihr sprach. Mark konnte kein einziges Wort verstehen, es hatte aber den Anschein, als weise er sie mit leisem Tadel zurecht. Jessica mochte wohl angenommen sein, trauen musste man ihr deswegen noch lange nicht. Ganz weh wurde ihm ums Herz bei diesem Anblick. Er wünschte sich so viel mehr für sie.
    Die vordersten Reihen waren von jungen Männern in Beschlag genommen worden, die mit gespannten Gesichtern seiner Rede entgegenfieberten, die Augen groß und glänzend nach vorn gerichtet. Sie würden sich gewiss kein einziges von seinen Worten entgehen lassen. Doch würden sie ihn auch verstehen? Sie trugen die blauen Armbinden der BMK. Wie Mark mittlerweile wusste, dienten die Armbinden für den Gebrauch in Innenräumen, wo keine Hüte – und damit blaue Kokarden – getragen werden konnten. James Tolliver stand vorn bei ihm. Als endlich alle ihre Plätze eingenommen hatten, bedeutete er der Menge, Ruhe zu geben. Fast umgehend wurde es still.
    „Unser heutiger Gast muss wohl kaum vorgestellt werden“, begann Tolliver. „Wir alle kennen den großartigen, den unvergleichlichen, den einzigartigen Sir Mark.“
    Mark hätte am liebsten das Gesicht in den Händen vergraben. Großartig? Unvergleichlich? Weniger überschwängliches Lob wäre ihm lieber gewesen. Er strebte einzig danach, „anständig“ zu sein, mehr wollte er gar nicht. Und wenn er bedachte, wie weit es mit Jessica in den letzten Tagen gekommen war, schien es auch damit nicht mehr sonderlich weit her. Der Gedanke an den gestrigen Abend sollte ihm Schuldgefühle bereiten; er tat es nicht.
    „Wie Sie alle wissen, ist Sir Mark der Verfasser des berühmten Breviers für Gentlemen mit praktischer Anleitung zur Keuschheit . Wir in Shepton Mallet sind natürlich mit jedem Satz dieser heiligen Schrift vertraut.“
    Heilige Schrift? Am liebsten wollte Mark dem jungen Tolliver mit der gewichtigen Bibel, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Podest lag, eins über den Schädel ziehen.
    „Jedes seiner Gebote haben wir verinnerlicht“, tönte Tolliver weiter, „kennen seinen Rat in- und auswendig.“
    Ach ja? Und weshalb trugen die

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