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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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herzlich wenig von Ihnen. Ich halte Sie für eine Bande von Heuchlern und Feiglingen.“
    Nun stand Jessica der Mund weit offen. Hatte je zuvor ein Mann für sie Partei ergriffen? Wer hatte sich für sie starkgemacht, wer sie verteidigt? Neben seinem Zorn machte sich eine weitere Empfindung in ihm breit – ein quälendes Gefühl, das aus seinem tiefsten Innern zu kommen schien.
    „Und noch etwas scheinen Sie nicht begriffen zu haben“, legte Mark nach. „Wenn Sie glauben, die Frau wäre Ihre natürliche Feindin im Kampf um Ihre Seele … nun, dann haben Sie etwas falsch verstanden. Und zwar gründlich.“
    Mark suchte ihren Blick. Er richtete die nächsten Worte ausschließlich an sie.
    „Frauen sind der Grund der Keuschheit, nicht ihr Feind. Nicht um Ihren Mitbrüdern zu gefallen, sollten Sie die Regeln der Keuschheit befolgen, sondern aus dem Wissen heraus, dass Sie, wenn Sie unbesonnen Ihre Gelüste befriedigen, der Frau schaden, mit der Sie Ihrem Vergnügen nachgehen. Sie ist es, welche die Verachtung der Gesellschaft zu tragen hat. Sie ist es, der Last und Sorge einer ungewollten Schwangerschaft zufallen. Sie ist es, die zur Ausgestoßenen wird. Und die Männer? Ihnen wird meist keine Schmach zuteil, sie überstehen den Sturm unbeschadet. Nur ein gefühlloser Wüstling lässt sich nicht rühren von der Not, die sein flüchtiges Verlangen schafft. Nur ein unreifer Jüngling lässt eine Frau die Folgen seines Tuns ausbaden und gibt ihr dann die Schuld an der eigenen Schwäche.“
    Die Menge war seinem Blick entschwunden. Er sah nur noch Jessica, dachte nur noch an sie. Still und reglos saß sie da, wie eine Statue, mit marmorbleichen Wangen.
    „Ich weiß, was Anstand ist“, sagte Mark. „Und ich weiß ihn zu unterscheiden von Heuchelei. Ein anständiger Mensch trägt die Verantwortung für sein Handeln, für seine Fehler und Schwächen. Das bewundere und respektiere ich mehr als alle falschen Ehrenbekundungen.“
    Hätte er es nicht besser gewusst, würde er gemeint haben, sie sei den Tränen nah. Rasch wandte er den Blick ab. Stolz, wie sie war, wollte sie sicher nicht, dass er es bemerkte.
    „Wenn Sie also behaupten, eine Frau sei Ihr Verderben“, tat Mark kund und ließ seinen Blick wieder über die Reihen der BMK wandern, „so führen Sie sich auf wie die Kinder – unreif und verantwortungslos.“
    Der junge Tolliver schien am liebsten im Boden versinken zu wollen. Und zum ersten Mal, seit Mark sich von seinem Zorn hatte hinreißen lassen, wurde ihm wieder bewusst, wer er war, was er tat. Die kalte, grausame Wahrheit war, er hatte die Beherrschung verloren. Er hatte seine Zuhörer Feiglinge und Heuchler genannt, sie der Verantwortungslosigkeit und der Unreife bezichtigt. Er hatte sich aufgeführt wie ein der heiligen Raserei verfallener Prediger, der sie alle von der Kanzel herab verdammte.
    Der Gedanke an Jessica, wie sie da ganz allein und kaum geduldet in ihrer Mitte saß, hatte ihn zornig gemacht, hatte ihn alles Maß verlieren lassen. Und er bereute es nicht. Er spürte nicht auch nur den Hauch von Reue.
    Was blieb noch zu sagen?
    „So“, schloss er und rieb sich die Hände, als sei er Pontius Pilatus und wolle sich von allem reinwaschen. „Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen.“
    Als er vom Podest trat, war es weiterhin totenstill. Doch er war kaum drei Schritte gegangen, als die Menge in begeisterten Jubel und Applaus ausbrach.
    Ja, war es denn zu fassen? „Haben Sie jetzt völlig den Verstand verloren?“, herrschte er sie an. „Ich habe Sie eben als feige, verlogen und kindisch beschimpft!“
    Aber sie hörten ihn nicht, zu laut war der Sturm der Begeisterung. Seine Worte hätte er sich sparen können. Nichts hatte es gebracht, überhaupt nichts. Noch immer verehrten sie ihn töricht, sprangen von ihren Plätzen, als er zu entkommen versuchte, klopften ihm auf den Rücken, dankten ihm – dankten ihm, obwohl er sein Bestes gegeben hatte, sie gegen sich aufzubringen.
    „Großartige Rede, Sir Mark“, kam es vom jungen Tolliver.
    „Solch leidenschaftliche, aufrechte Überzeugung!“
    „Das hat mich wirklich inspiriert“, sagte jemand neben ihm. „Auch ich werde jetzt ein wohlanständiges, rechtschaffenes Leben führen.“
    „Alle waren ehrlich begeistert.“ Wieder Tolliver. „Außer, ähm, Mr Lewis. Ich finde, er sieht etwas verärgert aus. Und Mrs Farleigh – sie will schon gehen.“
    Mark wandte sich um. In diesem Gedränge nahm man nur Schultern und Hüte, Arme und Ellenbogen

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