Geliebte Myriam, geliebte Lydia
nämlich - naja, mit dem Mena House Hotel in Kairo in keinster Weise zu vergleichen, oder, um etwas präziser zu sein, ganz einfach eine Bruchbude. Und die Probleme begannen sofort. Sie begannen damit, daß es zuwenig freie Zimmer gab und noch weniger freie Zimmer mit Dusche und WC. Dafür, erklärte man mir an der Rezeption, seien die Zimmer alle sehr groß, und ich könne ruhig vier oder fünf oder gar sechs Personen in ein Zimmer geben; so viele Betten stünden nämlich in jedem. Na toll! Da werden sich aber meine Leute freuen! Ich versuchte noch ein bißchen zu verhandeln und ließ überdies einen wahren Bakschischregen über die dienstbaren Geister in der Rezeption herabregnen, und Myriam hielt ihnen irgendeinen Wisch von ihrer Agentur unter die Nase, aber es half alles nichts. Möglicherweise, so meinte sie, hatte die Hotelleitung die Zimmer doppelt vergeben. Aha, typischer Fall von Überbuchung. Also blieb nichts anderes übrig, als die Leute zusammenzulegen und zu hoffen, daß sie das, ohne Krach zu schlagen, als unvermeidlich hinnehmen würden. Ich nahm gleich einmal das eine Zimmer ohne Dusche und WC für Götzi und mich und versuchte dann, alle anderen auf die zur Verfügung stehenden vier Zimmer aufzuteilen. Na gut, Clemens und Florian würden bei ihren Eltern schlafen, das war naheliegend, und die Familie Schroll war sowieso schon zu dritt. Blieben die vier älteren Damen, die Familie Giftzwerg und Lydia und Babsi. Wie sollte ich die aufteilen? Klar, die vier älteren Damen zusammen; aber Lydia und Babsi bei Herrn und Frau Giftzwerg? Das konnte ich ihnen doch nicht antun! Schließlich entschloß ich mich, zwei von den älteren Damen mit den Giftzwergen zusammenzulegen und die zwei anderen mit Lydia und Babsi.
Als ich hierauf meiner schon etwas unruhig gewordenen Großfamilie diese bittere Pille zu schlucken gab, erhob sich zwar einiges unwillige Gemurmel, aber nein, Krach schlug niemand, nicht einmal die Familie Giftzwerg; nicht einmal mit dem Bischof drohten sie. Myriam bemühte sich ihrerseits, ihnen die bittere Pille etwas zu versüßen, indem sie bekanntgab, daß wir nicht in diesem Hotel abendessen würden, sondern in einem nahe gelegenen Restaurant, in das wir anschließend gemeinsam wandern würden. Da gab's immerhin ein großes Aufatmen, denn in diesem Hotel erwartete sich wohl keiner ein halbwegs genießbares Essen.
Also gut, ich verteilte die Schlüssel, und die Kofferträger - die gab's immerhin -, stürzten sich auf die Koffer, und so stiegen wir über die Treppe in den ersten Stock hinauf - Lift gab's natürlich keinen -, und waren vermutlich alle schon gespannt wie ein Regenschirm, wie die Zimmer wirklich aussehen. Im ersten Stock fanden wir uns in einer großen Halle wieder, und rund um diese Halle waren die Zimmer angeordnet. Unser Zimmer - ich meine das von Götzi und mir - erwies sich als ein völlig kahler, von einer traurigen Funzel ohne Lampenschirm erleuchteter Raum - falls man das überhaupt 'erleuchten' nennen kann -, in dem dicht gedrängt sechs primitive Betten standen. Schränke, Stühle, Nachttischchen oder gar einen richtigen Tisch suchte man vergebens. Was es immerhin gab, war ein Waschbecken. Aber der gute Götzi trug's mit Fassung: 'Na, die eine Nacht werden wir auch noch überstehen!'
'Danke für dein Verständnis, Götzi!'
'Na bitte! Wenn ich das richtig mitgekriegt hab', sind wir zwei ja die einzigen, die diese Nacht allein zu zweit verbringen werden - stimmt's?'
'Ja, das stimmt.'
'Na also. Und Platz haben wir ja genug! Welche Betten nehmen wir denn überhaupt?'
Während wir noch lachend hin- und herüberlegten, in welchem Bett ein jeder schlafen sollte, hörten wir plötzlich aufgeregtes Geschrei aus der großen Halle. Es war eine Frauenstimme. Und dann verstand ich deutlich das Wort 'Reiseleiter'. 'Aha, die erwarteten Krachschlagungen gehen schon los!' scherzte ich und schaute bei der Tür hinaus. Einige meiner Leute standen herum, darunter auch Lydia, Babsi und eine der zwei älteren Damen, mit denen ich sie zusammengespannt hatte, und die war's, die den Krach schlug. Und kaum war sie meiner ansichtig geworden, da rief sie, sichtlich erregt, aus: 'Ha, da sind Sie ja, Herr Reiseleiter!'
'Ja, was ist denn Schlimmes passiert, Frau Gruber?' sagte ich unnötigerweise, denn ich wußte schon genau, was jetzt kommen würde.
'So alt hab' ich werden müssen, daß mir sowas zugemutet wird!' stieß sie hervor und schüttelte den Kopf, wahrscheinlich vor moralischer
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