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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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inzwischen kapiert zu haben, daß die anderen das gar nicht so witzig finden, und sie ziehen die Köpfe ein und schleichen auf ihre Plätze; und dabei könnte man eine Stecknadel fallen hören, bis Machmut auf mein Zeichen hin wieder startet und losfährt.
    Und im Bus ist es auch weiterhin mucksmäuschenstill, und ich bewundere meine Leute ehrlich, daß keiner aufbraust und sich seinen Frust von der Seele schreit. Und ich überlege mir schon, ob ich, um die Situation etwas zu entspannen, vielleicht Herodots Beschreibung der Sitten und Gebräuche der alten Ägypter vorlesen solle oder ob ich besser ein paar Witze erzählen solle - da kommt auf einmal der Herr Schroll nach vorne gewankt, ersucht ums Mikrophon, bläst in dieses ein paarmal kräftig hinein, daß es in den Lautsprechern nur so kracht, räuspert sich eine Zeitlang und bittet schließlich seine lieben Mitreisenden und seinen lieben Reiseleiter auf das alleruntertänigste um Entschuldigung für die Verspätung. Und dann beginnt er zu berichten, wo sie gewesen seien und wieso sie sich so verspätet hätten. Sie seien über die Felder spaziert, hätten ein Dorf entdeckt und neugierig in die Häuser hineingeguckt. Und dabei seien sie von einer Familie auf das allerfreundlichste eingeladen worden einzutreten. Die gesamte Großfamilie sei im Kreis auf Strohmatten auf dem Boden gehockt und eifrig damit beschäftigt gewesen, Brotstücke abzubrechen und in einen großen Topf, der in ihrer Mitte auf dem Boden stand, einzutauchen und anschließend mit sichtlichem Genuß in den Mund zu stecken. 'Da erinnerten wir uns an die Szene in der Zitadelle vorgestern und grüßten schön höflich mit „Salam! Salam!“. Daraufhin gerieten sie alle total aus dem Häuschen, überschütteten uns mit ihren Salams, und wir mußten uns unter ihnen auf die Strohmatten hinsetzen und zugreifen, und es schmeckte absolut köstlich. Und plötzlich kam einer von ihnen auf die Idee und zog seinen Ärmel ein Stück in die Höhe und streckte uns seinen Unterarm hin, und auf diesem prangte ein eintätowiertes Kreuz, und dabei schaute er sehr stolz drein. Das gleiche machten auch alle anderen, und alle machten ein furchtbar wichtiges und stolzes Gesicht. Da war ich natürlich froh, daß meine Frau wenigstens ein Kreuz als Anhänger trägt, und das konnten wir ihnen zeigen, und darüber freuten sie sich wie die Schneekönige. Es war also wahnsinnig nett. Das einzige, was ein bisserl störte, war das uralte Radio, das die ganze Zeit auf maximale Lautstärke eingestellt war; nichts gegen die orientalische Musik, die es von sich gab, aber es war genau genommen nur mehr ein Krächzen und Kratzen, und das tat mit der Zeit richtig in den Ohren weh. Schon allein aus diesem Grund haben wir keineswegs die Zeit vergessen, und meine Frau schaute auch ständig auf die Uhr. Und als wir das Gefühl hatten, jetzt reicht's und wir könnten uns, ohne die Gefühle unserer Gastgeber zu verletzen, auf den Weg machen - Sie haben unseren Herrn Reiseleiter ja gehört, wie er uns vor der Empfindlichkeit der Orientalen gewarnt hat, nicht wahr? - und er drehte sich schmunzelnd zu mir um, bevor er weitersprach -, da ließen sie uns nicht aufstehen und nötigten uns, noch mehr zu essen, und als nichts mehr zum Essen da war, wurde Tee aufgetragen, und wir mußten auch von diesem mehrere Tassen trinken - brennheiß übrigens -, und das dauerte wieder entsprechend lang. Und erst, wie auch das vorbei war und sich alle vom Boden erhoben, durften auch wir uns erheben - übrigens wären wir beide beinahe nicht mehr in die Höhe gekommen, so sehr waren wir schon durch das lange Sitzen auf dem Boden verkrampft - und uns unter feierlichen Zeremonien verabschieden. Und dann waren wir so durcheinander und wurden noch dazu von einer Schar äußerst lebhafter Buben dermaßen bedrängt, daß wir anfangs auch noch in die falsche Richtung rannten, und es dauerte mindestens zehn Minuten, bevor wir unseren Fehler bemerkten.
    Ja, das war's halt. Und wie wir vorhin zur Sicherheit so ein Stamperl Schnaps zu uns genommen haben - ich sag' mir immer: lieber b'soffen und g'sund als nüchtern und krank -, da meint meine bessere Hälfte, wie wär's, wenn wir allen einen Versöhnungsschluck anbieten würden, und genau das will ich jetzt auch tun: ich darf Sie alle zu einem Versöhnungsschluck einladen und Sie auf diese Weise noch einmal herzlich um Verzeihung bitten. Übrigens: das ist nicht irgendein Schnaps, das ist ein selbstgebrannter

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