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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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hatten die Vororte von Assiut schon erreicht, und Myriam war schon ganz unruhig geworden, und hinter uns begannen sie sich schon aufs Aussteigen und auf die Mittagspause vorzubereiten. Da gerieten wir völlig unvermutet in einen Riesenstau. Und jetzt fiel mir auch auf, daß alle paar Meter ein Doppelposten von höchst martialisch aussehenden und mit schußbereiten Maschinengewehren bewaffneten Polizisten herumstanden und sämtliche Verkehrsteilnehmer grimmig musterten; nur uns schienen sie deutlich weniger grimmig zu mustern, und vor unseren eigenen Polizisten, die brav vor uns einherfuhren, salutierten sie alle stramm. Na, jetzt wurde wenigstens klar, wozu wir die überhaupt mithatten!
    Also, wie gesagt, jetzt steckten wir im Stau - richtig heimatlich, gelt? -, und die Geduld der vielen knurrenden Mägen wurde arg auf die Probe gestellt. Auf meine Frage, ob ein Stau hier öfter vorkommt, versicherte Myriam, nein, nein, das sei absolut ungewöhnlich; aber jetzt sei es nicht mehr weit. Naja, weit war's vielleicht wirklich nicht mehr; aber was nutzt das, wenn nichts weitergeht? Wir begannen uns schon zu überlegen, ob wir nicht besser aussteigen und zu Fuß ins Stadtzentrum marschieren sollten, aber das geht natürlich nicht so ohne weiteres. Und Myriam begann sich schon Sorgen ums Programm zu machen, konkret: ob wir Dendera, den letzten Besichtigungspunkt des heutigen Tages, noch rechtzeitig erreichen würden.
    Und so war bestimmt schon eine geschlagene Stunde vergangen, als endlich das Stadtzentrum vor uns auftauchte. Aber was war das? Da war jetzt ein richtiges Großaufgebot an Polizei versammelt, und die hatten die Einfahrt ins Stadtzentrum, wie's ausschaute, total abgeriegelt und hielten jedes Fahrzeug an und zerlegten es beinahe in sämtliche Einzelteile. Und als wir endlich bei ihnen angelangt waren, hielten sie uns genauso an, und unsere zwei eigenen Polizisten stiegen aus ihrem Wagen, und es folgte ein eindrucksvolles gegenseitiges Salutieren und ein nicht enden wollendes Palaver, und dabei deuteten sie immer wieder auf uns. Angenehm, was? Unserer braven Myriam kann diese Situation auch keine übertriebene Freude bereitet haben, denn sie saß die ganze Zeit auffallend still neben mir und sah ausgesprochen blaß aus. Naja, und dann waren sie mit ihrem Palaver offenbar doch einmal fertig, und sie salutierten sich wieder gegenseitig was vor, und der eine von den Unsrigen stieg auf der Fahrerseite ins Auto ein, und der andere kam zu uns zurückgelatscht, pflanzte sich neben Machmuts offenem Fenster auf und rief ihm was zu, und der rief uns oder vielmehr Myriam was zu, und Myriam blieb daraufhin eine Zeitlang stumm, und nachdem ich ein paarmal gefragt hatte, was denn da los sei, murmelte sie schließlich, kaum hörbar: 'Es gibt eine Umleitung.'
    'Eine Umleitung?' wiederholte ich verständnislos, und beobachtete gleichzeitig, wie Machmut nach links abbog und dabei dem ganzen Aufgebot an Polizisten zuwinkte. Na, dachte ich bei mir, das ist orientalischer Fatalismus, er nimmt's, wie's kommt, ohne sich im geringsten darüber aufzuregen - eigentlich bewundernswert! Ganz im Gegensatz zu ihm wurden meine Leute, das merkte ich jetzt deutlich, zunehmend unruhig. Aber bitte, andererseits hatten sie - wiederum im Gegensatz zu Machmut - überhaupt keine Informationen; sie merkten nur, wie die Futtertröge, auf die sie so lange hatten warten müssen und denen sie jetzt schon ganz nahe gewesen waren, auf einmal wieder in unerreichbare Ferne rückten, und bekamen es daher mit durchaus verständlicher und sogar berechtigter Angst vor dem Hungertod zu tun. Aber warum sagt denn auch unsere Myriam nichts? Sie sitzt da mit ihrem Pharaonengesicht und schaut drein wie die Nofretete oder Nefertiti oder, meinetwegen, Nafteta, nämlich süß und bezaubernd und, ja, verführerisch, aber absolut unbewegt und vollkommen stumm. Inzwischen tauchte vor uns der Nil auf, aber hier war an dessen Ufer nicht Endstation, sondern die Straße ging weiter und setzte sich, wie ich anfangs dachte, in einer Brücke, wie ich aber bald merkte, in einem Staudamm fort, und so überquerten wir den Nil und sahen, wie rechts hinter uns die Stadt zurückblieb und wir uns immer weiter von ihr entfernten. Und jetzt brach mit einem Schlag der Aufstand los, und der Hunger, die Enttäuschung und die Wut über den verlorenen Futtertrog machten sich in erregten Rufen Luft, und diese erregten Rufe mündeten schließlich alle in die Frage: 'Wieso sagt uns denn keiner was?'

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