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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Und diese Frage war, weiß Gott, nur allzu berechtigt. Ich wandte mich zu Myriam um und legte meinen Arm um ihre Schulter - habt ihr gehört? Ich legte, ohne zu denken, meinen Arm um ihre Schulter und drückte sie an mich, und sie ließ es sich widerstandslos gefallen, und ich flehte sie an, uns doch zu verraten, was da los sei. Und dann wachte sie plötzlich wie aus einer Trance auf, ergriff das Mikrophon und räusperte sich hinein, und im nächsten Augenblick war's mucksmäuschenstill, und nun redete Myriam endlich. Sie entschuldigte sich als erstes für ihr langes und ungebührliches Schweigen, aber sie bedaure selbst am allermeisten, daß unser Programm auf diese Weise durcheinandergebracht worden sei, aber wir hätten ja dieses Polizeiaufgebot gesehen, und das sei einfach höhere Gewalt. Die Hauptstrecke sei zwischen Assiut und Sohag gesperrt, aber glücklicherweise gebe es in beiden Orten Brücken über den Nil und dazwischen eine Straße am anderen Ufer, so daß es wenigstens eine Ausweichmöglichkeit gebe, und das sei immerhin ein Glück im Unglück, denn niemand wisse, wie lang diese Sperre aufrechterhalten werde. Und was die Mittagspause betreffe, so würden wir in etwa einer Dreiviertelstunde eine kleine Stadt erreichen und versuchen, dort etwas Nahrhaftes zu finden.
    So weit also Myriam. Aber damit gaben sich diese neugierigen Europäer noch nicht zufrieden - nein, sie wollten unbedingt auch noch wissen, was denn der Grund für diese Straßensperre und dieses riesige Polizeiaufgebot sei. Bevor nun Myriam darauf eine Antwort gab, palaverte sie noch die längste Zeit mit Machmut und erklärte uns sodann übers Mikrophon: was genau passiert sei, sei noch nicht bekannt, aber soviel sie von der Polizei gehört habe, sei in der Nähe von Assiut ein Autobus überfallen worden - man vermute, von einer fundamentalistischen Extremistenorganisation; diese habe nämlich in der letzten Zeit schon mehrere Male Überfälle in Oberägypten verübt, und eben das sei ja auch der Grund, warum wir auf der gesamten Reise unter Polizeischutz stünden.
    Sprach's, schaltete das Mikrophon ab und legte es zurück. Und im Bus verbreitete sich jetzt tödliche Stille, oder vielleicht war's auch einfach andächtige Stille oder die Stille unmittelbar vor dem Hungertod - wer weiß. Außerdem wurde jetzt die Landschaft immer großartiger, denn die Wüstenberge rückten immer näher an den Nil heran und ließen bald nur mehr einen schmalen Streifen Fruchtlandes frei. Später zogen sie sich wieder nach Osten zurück, und in dieser breiten Fruchtlandebene, die sie freiließen, lag nun also die von Myriam verheißene kleine Stadt, und hier gab's keine weiteren Schwierigkeiten; Machmut chauffierte uns auf eine Art Hauptplatz, stellte sein Gefährt, ohne lange zu fackeln, einfach irgendwo hin, und zwar, wie ich beim Aussteigen erkannte, relativ verkehrsbehindernd, wie man das bei uns nennen würde, und entließ uns zur Suche nach einem Futtertrog.
    Na, und wurde ein Futtertrog gefunden? Um es kurz zu machen: nein, kein Futtertrog wurde gefunden; man merkte deutlich, daß wir hier in einer vorwiegend islamischen Gegend gelandet waren. In Assiut, meinte Myriam, hätten wir in dieser Hinsicht viel mehr Glück gehabt. Sehr wohl fühlten wir uns hier übrigens auch nicht; immer wieder kam es vor, daß sich junge Leute, die in Rudeln müßig herumstanden und offensichtlich nichts zu tun hatten, uns zuerst irgendwie provokant anstarrten und sich dann, sobald wir nahe genug gekommen waren, abrupt abwandten. Auch kein besonders angenehmes Gefühl, kann ich euch sagen! Na, wenigstens warf keiner mit Steinen nach uns. Andererseits: wußten wir das? Ja, und so machten wir's schließlich genau wie am Vortag und begnügten uns mit Orangen, die wir in einem Geschäft fanden, und zwar kaufte ich diesmal der Einfachheit halber, und damit's schneller geht, gleich eine ganze Steige und schleppte sie mit Götzis tatkräftiger Unterstützung und unter dem wenn auch gedämpften Jubel der anderen und zugleich unter den scheelen Blicken der Einheimischen in den Bus, hieß alle auf der Stelle einsteigen und forderte Machmut auf, uns augenblicklich aus diesem ungastlichen Ort zu entführen.
    Und so geschah es auch. Und was jetzt folgte, war eine sagenhafte Orangenparty im Bus, in gewisser Weise durchaus vergleichbar mit der gestrigen Obstlerparty des Herrn Schroll, nur nicht ganz so ausgelassen; aber immerhin wurden die zuletzt aufgestauten Spannungen in einer wahren

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