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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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ließen sich sogar unsere sonst so würdigen - oder sagen wir besser: muffligen - Freunde und Helfer dazu herab, in Machmuts Gelächter einzustimmen; aber, und das fiel mir gerade bei dieser Gelegenheit besonders auf, viel mehr als für meine oder Machmuts Scherze interessierten sie sich für Myriam, und besonders der eine von ihnen konnte seine Augen kaum von ihr abwenden.
    Aber nun stürmten ohnedies alle, ohne Zeit zu verlieren, unseren Bus, Machmut gab Gas, und unsere Reise in den Süden ging weiter. Jetzt ergriff Myriam, sobald es sich meine Großfamilie bequem gemacht hatte, das Mikrophon und holte zum nächsten Vortrag aus - Thema: Nofretete oder Nefertiti? Sie bestätigte, was ich schon zum Clemens gesagt hatte, daß beide Namen dieselbe Königin bezeichnen und daß 'Nofretete' nur die im Deutschen und 'Nefertiti' die im Englischen übliche Namensform sei. Wie sei es aber zu dieser Diskrepanz gekommen und, vor allem, welche Form sei die richtige? Um diese Fragen zu beantworten, sei es notwendig, einige Worte über die ägyptischen Hieroglyphen zu sagen. Die Hieroglyphenschrift sehe aus wie eine Bilderschrift und sei in der allerältesten Zeit auch wirklich eine solche gewesen. Aber schon in der Epoche der Pyramidenbauer, also im Alten Reich, hatte sich die Bilderschrift in insgesamt vier Klassen von Zeichen aufgelöst. Die erste Klasse sind alte Bilderzeichen. Diese bedeuten eben das, was sie darstellen, also zum Beispiel ein Kopf einen Kopf, ein Stern einen Stern, eine Biene eine Biene. Die zweite Klasse besteht aus Bilderzeichen, die neben dem Dargestellten irgendein anderes Wort bezeichnen, das aus ungefähr den gleichen Konsonanten besteht wie jenes. In der Praxis bezeichnen sie entweder zwei oder drei Konsonanten. Drittens: Zeichen, die jeweils nur einen Konsonanten bezeichnen. Diese Zeichen sind also richtige Buchstaben. Und viertens gibt es noch stumme Zeichen, die am Ende eines Wortes stehen und nur die Aufgabe haben, den Bedeutungsbereich, in den die jeweiligen Wörter gehören, ungefähr erkennen zu lassen.
    Nun gibt es unter den vielen hundert Hieroglyphen kein einziges Zeichen, das einen Vokal bezeichnen würde. Damit sind sie also genauso wie die sogenannte unpunktierte arabische Schrift eine reine Konsonantenschrift. Jetzt werden Sie sagen: Wie kann man denn eine Folge von lauter Konsonanten aussprechen? Antwort: Natürlich gar nicht, sondern diese Konsonanten bilden nur eine Art Gerüst, und der Leser muß eben wissen, welche Vokale in dieses Konsonantengerüst hineingehören. So ist es im Arabischen: zwar werden heutzutage die Vokale zumeist durch Punkte und Striche über oder unter den Konsonantenzeichen angegeben, aber auch wenn diese Aussprachehilfen fehlen, können wir die Worte ohne weiteres lesen. Ebenso haben bei unseren Vorfahren im alten Ägypten die Priester und Schreiber die Hieroglyphenschrift mit den richtigen Vokalen lesen können, obwohl die Vokale nie geschrieben wurden. Bei der entsprechenden Kenntnis der Sprache weiß man eben, mit welchen Vokalen das Konsonantengerüst der jeweiligen Worte zu füllen ist.
    Und hier liegt nun, wie man im Deutschen so schön anschaulich sagt, der Hund begraben. Weil ja die Sprache der Hieroglyphen seit langer Zeit eine tote Sprache ist, weiß niemand genau, welche Vokale die altägyptischen Wörter wirklich enthalten haben. In dieser Not haben sich nun die Ägyptologen einen ebenso einfachen wie barbarischen Trick ausgedacht, um die Häufung von lauter Konsonanten aussprechbar und merkbar zu machen: sie fügen zwischen die Konsonanten so viele 'e' ein, wie es nötig ist, und lassen auch sonst vielfach fünf gerade sein. Was dabei herauskommt, sind bestimmt alles völlig unsinnige Formen, die mit der wirklichen Aussprache der Wörter nicht das Geringste zu tun haben. Aber da niemand sagen kann, wie die ägyptischen Wörter im Original geklungen haben, müssen wir eben den Unfug dieser künstlichen Aussprache, die man die ägyptologische nennt, mitmachen. Not kennt kein Gebot.
    Man muß zugeben, daß Wörter mit lauter e-Vokalen nicht gerade schön klingen. Deshalb haben sich für manche Götter- und Königsnamen andere Aussprachen eingebürgert. Und damit kommen wir zur Königin Nofretete oder Nefertiti. Nach der eben genannten Regel wäre ihr Name eigentlich Neferetiiti auszusprechen. Richtig ist natürlich keine von diesen Formen; nach den neuesten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen dürfte der Name in Wirklichkeit ungefähr Nafteta

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