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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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wirst mit deiner Babsi eine Freude haben! Weißt du, beim ersten Mal geht nicht immer alles nach Wunsch! Das ist völlig normal. Und sie ist ja ein ganz und gar liebes Mädchen - oder nicht?'
    Jetzt schaute er mich ausgesprochen dankbar und sogar irgendwie erleichtert an und beteuerte anschließend, doch, doch, sie sei ein sehr liebes Mädchen, da gebe es überhaupt keinen Zweifel. O ja, er könne sich durchaus vorstellen, daß er mit ihr noch ganz glücklich werden könnte. Aber übertrieben happy klang er noch immer nicht.
    Plötzlich klopfte es, und herein kam, o Jubel, o Freud', meine Lydia, bewaffnet mit ihrem gesamten Gepäck und außerdem umgezogen: sie hatte zu meinem größten Bedauern nicht mehr das süße Miniröcklein an, sondern eine ganz gewöhnliche lange Hose. Und da war nun unser Götzi mit einem Schlag wieder der Alte. Er machte eine tiefe Verbeugung vor ihr und flötete: 'Oh, verreisen Madame?'
    Und meine Lydia, die offenbar auch keine Spielverderberin war, ging auf seinen Scherz sofort ein und antwortete im gleichen Ton: 'Ja, mein Herr, ich übersiedle zu Ihnen, weil's in diesem Zimmer immer so lustig ist!' Und dabei blinzelte sie mir schelmisch und zugleich liebevoll zu.
    Und in diesem Ton ging das noch eine Zeitlang weiter, bis dann Lydia auf einmal ernster wurde und, zu mir gewandt, sagte: 'Übrigens, die Frau Meisl und die Frau Holly' - das sind zwei von unseren älteren Damen - 'sind gerade vorbeimarschiert, während ich mit dem ganzen Gepäck da aus Babsis Zimmer herausgekommen bin, und haben zwar nichts gesagt außer Guten Morgen, aber große Augen gemacht!'
    'Soso!' erwiderte ich und versuchte meine Bestürzung zu verbergen. 'Naja, bis die im Frühstücksraum angekommen sind, werden sie's schon wieder vergessen haben! Apropos Frühstücksraum: wie spät ist es eigentlich?'
    Nun, es stellte sich heraus, daß es schon fast acht war, und drum trieb ich nun den Götzi zu größerer Eile an. Denn das Leben war ab heute wesentlich komplizierter als bisher; wir mußten ja unseren Leuten in gewisser Weise ein Theater vorspielen und so tun, als ob ich nach wie vor mit Götzi zusammen wäre und auch Lydia und Babsi nach wie vor zusammen wären. Nur die Myriam beschlossen wir in unser süßes Geheimnis einzuweihen.
    Ja, die Myriam. Irgendwie, in meinem tiefsten Innern, bedauerte ich doch, daß aus ihr und mir nun nichts mehr werden konnte. Ja, ja, es war mir selbstverständlich völlig klar, daß sie von vornherein nicht wollte - oder sich nur nicht traute? Aber jetzt war ich eben selber sozusagen schwer vergeben, und sogar wenn sie durch irgendein Wunder auf einmal gewollt oder sich getraut hätte - jetzt war's dafür zu spät.
    Als wir, und damit meine ich jetzt Lydia und Babsi, Götzi und mich, ein wenig zu spät in den Speisesaal kamen, da saß sie bereits beim Frühstück und sah wieder absolut bezaubernd aus, und sie bestätigte sofort, daß sie bestens ausgeschlafen sei und sich rundum wohl fühle. Ich warf einen Blick auf Clemens am Nebentisch: na, der schien sich auch rundum wohl zu fühlen, und er strahlte mich an wie ... na, sagen wir, wie ein junger Gott, oder vielleicht besser: wie der Sonnengott. Höflich grüßend, ging ich durch die Reihen der Schmausenden zu meinem seit dem Vorabend ererbten Platz am Tisch der Familie Schroll und wurde dort mit größter Begeisterung empfangen - nur die Vorfälle der vergangenen Nacht, die wurden mit keinem Wort erwähnt.

    6. Teil

    Mich ergreift, ich weiß nicht wie,
    himmlisches Behagen
    (GOETHE)

    So, also ganz rasch frühstücken! Um halb neun soll's ja losgehen. Was ist denn heute überhaupt für ein Wetter? Na, das allerherrlichste, das man sich nur vorstellen kann! Ein vollkommen wolkenloser, tiefblauer Himmel, wunderbar klare Luft, angenehme Wärme und kein Sturm, ja, nicht einmal ein Wind; kein Lüftchen regt sich. Und was steht heute eigentlich auf dem Programm? Myriam erklärt im Bus: die eigentliche Stadt Theben stand am rechten, das heißt: östlichen, Nilufer auf dem Areal des heutigen Luxor und weit darüber hinaus. Am linken Ufer befand sich die mindestens ebenso große Stadt der Toten mit ihren Felsengräbern und Totentempeln und dazu eine komplette Siedlung, deren Bewohner von Ämtern und Handwerken lebten, die mit der Totenstadt zusammenhingen. Und diese Totenstadt, genannt Theben-West, die werden wir also heute besichtigen - oder vielmehr nur einen winzigen Teil davon; denn um alles zu besichtigen, würde man Wochen und Monate

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