Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Rampen miteinander verbunden sind. Es handelt sich natürlich um den berühmten Terrassentempel der Königin Hatschepsut. Und was fiel uns hinter uns auf der Ostseite auf? Ihr werdet es nicht für möglich halten: das Häusermeer der Stadt Luxor, überragt von einer großen, zweitürmigen Kirche!
Und dann landete die Fähre am Westufer, und wir stiegen aus und fanden uns bald darauf auf einem riesigen Parkplatz wieder, und auf diesem riesigen Parkplatz stand einsam und verlassen ein Kleinbus herum. 'Was glaubst du', erklärte mir Myriam, 'wie sich in früheren Jahren hier die Busse gedrängt haben! Und jetzt sieht es hier so aus! Und wer ist schuld daran?' Na, das war natürlich eine rein rhetorische Frage, und überdies waren wir bereits vor dem Kleinbus angekommen, und Myriam bat unsere Leute, in ihn einzusteigen und sich in ihm möglichst eng zu schlichten, damit alle hineingehen; und tatsächlich gingen nur dadurch alle hinein, daß Florian, Clemens und Klein-Barbara zu dritt zwei Plätze nebeneinander besetzten. Aber das machten sie, glaub' ich, gar nicht ungern, und Clemens und Klein-Barbara waren sogar ausgesprochen selig, in Tuchfühlung miteinander sitzen zu müssen oder vielmehr zu dürfen. Andererseits dauerte jedenfalls die erste Fahrt kaum eine Viertelstunde. Sie führte uns zuerst durch Fruchtland, wie wir's nun wohl schon zur Genüge kannten. Und dann endete dieses, wie wir's nun ebenfalls schon gewohnt waren, schlagartig, und wir befanden uns in der Wüste. Genau an der Stelle, wo das Fruchtland in Wüste übergeht, fuhren wir an den Ruinen eines riesigen Tempels vorbei. Bald darauf hatten wir den Rand des vorher erwähnten Wüstengebirges erreicht, und hier mündet ein enges Tal mit steilen Bergflanken, und in dieses führte nun die Fahrt hinein und wurde dadurch absolut aufregend. Aber das war jetzt kein grünes, liebliches Tal mit Wiesen und Wäldern und einem murmelnden oder rauschenden Bach im Talgrund. O nein! Da gab's keinen Bach, und auf den Hängen wuchs kein Baum, kein Strauch, nicht einmal in einzelner, halbverdursteter Grashalm - nein, gar nichts! Und es war auch nirgends das kleinste Schneefeld zu sehen - jetzt, mitten im Winter! -, geschweige denn ein ausgewachsener Gletscher.
Na, Spaß beiseite - dieses Tal, durch das wir nun dahinrumpelten, ist eines der berühmtesten Täler der Welt, mindestens so berühmt wie das Zillertal oder das Emmental, nämlich das Tal der Könige. In diesem einsamen Tal, so erklärte Myriam während der Fahrt, ruhen mehr als dreißig Könige und unter ihnen die größten, die Ägypten je erlebt hat - aber richtiger hätte sie sagen müssen 'ruhten', denn heute ruht, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, kein einziger König mehr hier. Sämtliche Königsmumien sind aus ihren Ruhestätten entfernt worden, teils von Grabräubern, teils von Priestern, die die Mumien in einem besseren Versteck zusammentrugen. Die eine Ausnahme ist Tut-ench-Amun, dessen Grab als einziges ungeplündert gefunden wurde und dessen Grabbeigaben wir ja im Museum in Kairo bestaunt hatten. Es muß einmal eine Zeit gegeben haben - so Myriam weiter -, in der in diesem öden Tal mehr Reichtum an purem Gold und künstlerischer Arbeit angehäuft lag als an jedem anderen Flecken unserer Erde. Denn von Thutmosis I., dem dritten Pharao des Neuen Reiches, an ließen über einen Zeitraum von fast 500 Jahren sämtliche Könige des Neuen Reiches ihre Gräber in die Felsen dieses Tales hineinmeißeln, und im Laufe der Jahre versuchte jeder Pharao, ein noch großartigeres Grabmal als sein Vorgänger zu schaffen. Bis zu 200 Meter weit ziehen sich diese Grabanlagen ins Berginnere hinein, und ausgeklügelte Vorsichtsmaßnahmen sollten den Schutz der Königsmumien und der unsagbar reichen und unschätzbar kostbaren Grabbeigaben gewährleisten, aber es ist höchst unwahrscheinlich, daß diese Schätze und mit ihnen die Mumien sehr lang unangetastet blieben. Gegen die offenbar angeborene Geschicklichkeit und Findigkeit der ägyptischen Grabräuber erwiesen sich ausnahmslos alle Schutzmechanismen als wirkungslos, denn gelang es diesen nicht, durch den ursprünglichen Eingang und die Grabkorridore an die heißbegehrten Schätze heranzukommen, so gruben sie einfach Tunnels, die sie zu diesen führen sollten. Das gilt natürlich nicht nur für das Tal der Könige hier, sondern für die gesamte Totenstadt, und manche Teile von dieser sind wie ein Kaninchenbau, das heißt, sie bestehen aus einem regelrechten
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg