Geliebte Myriam, geliebte Lydia
schade, daß ich so schnell gewesen bin, daß das Entzücken nur so kurz gedauert hat! Mein zweiter Gedanke war: Gott sei Dank, ich bin nicht laut gewesen; jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, laut gewesen zu sein. Und mein dritter Gedanke: die Myriam ist mucksmäuschenstill; schade, daß ich ihr Gesicht nicht sehen kann! Ich suchte mit dem Mund ihren Mund und drückte zärtliche Küsse auf ihn, und Myriam - jawohl, sie erwiderte sie, es konnte kein Zweifel sein! Ja, und ihre Küsse waren auch keineswegs ohne Leidenschaft, da war ich mir jetzt ganz sicher. So ließ ich denn diese Serie von Küssen in einem herrlichen, nicht enden wollenden Kuß gipfeln und legte dann glücklich und zufrieden meine Wange an ihre Wange - mit der Wange hatte ja alles angefangen - und wäre so beinahe, ohne es recht zu merken, ins Reich der Träume hinübergeglitten, wenn ich mich nicht rechtzeitig aufgerafft hätte. Glücklicherweise wußte ich noch, wo Lydia die Papiertaschentücher liegengelassen hatte, und so konnte ich wenigstens zuerst Myriam und dann mich notdürftig abwischen. Dann noch einen letzten, zärtlichen Kuß, und ab in mein Bett - pardon: auf meine Lagerstatt, um meine bereits angetretene Reise ins Reich der Träume fortzusetzen.
Aber glaubt ihr, das wäre mir gelungen? Vorher, als ich auf Myriam drauflag, da war ich nahe am Einschlafen gewesen. Jetzt, wo ich allein lag - jetzt ging's nicht! Und jetzt stürmte wieder eine ganze Phalanx an Gedanken auf mich ein, und sie bedrängten mich von allen Seiten und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Jetzt ging's aber nicht so sehr um Terroristen und Fundamentalisten und Erschießungskommandos und so weiter, sondern in erster Linie um Lydia und Myriam. Meine erste Sorge lautete klarerweise: hat Lydia was mitgekriegt? Zu hören ist nichts - absolut nichts. Na, hoffentlich schläft sie tief und fest! Und hoffentlich verrate ich mich nicht irgendeinmal oder verrät mich Myriam nicht irgendeinmal! Und meine zweite Sorge betraf Myriam selber: hab' ich sie vielleicht sozusagen überrumpelt, ihren Willen quasi eingeschläfert und sie damit praktisch ebenfalls vergewaltigt? Und hab' ich damit vielleicht ihre Ehre noch weiter beschädigt, als sie's so schon war? Und hab' ich damit die Arme, anstatt sie zu trösten, vielleicht nur umso unglücklicher gemacht? Und dann machte ich mir auch noch Vorwürfe, daß es bei mir so schnell gegangen war; da konnte sie ja überhaupt keine Lustempfindungen verspüren. Und dabei fiel mir ein, was sie mir heute unter anderem verraten hatte: daß sie beim Streicheln oder vielmehr Gestreichelt-Werden überhaupt keine Lustempfindungen verspüre. Diese Aussage hatte ich zunächst, im Eifer des Gefechts, gar nicht recht beachtet. Aber jetzt machte sie mich zusätzlich nachdenklich, und ich mußte auch daran denken, daß sie als kleines Kind sehr wohl ein gewisses Lustgefühl beim Masturbieren empfunden hatte und später nicht mehr. Merkwürdig, merkwürdig! Andererseits war sie vorhin wunderbar feucht gewesen - ich meine natürlich nicht: auf den Wangen. Welche Widersprüche! Ich konnte mir beim besten Willen keine Erklärung ausdenken.
Ja, und so ging mir das sprichwörtliche Mühlrad pausenlos und mitleidlos im Kopf herum und ließ mich nicht einschlafen, und als ich nach langem Sinnieren doch endlich einschlafen konnte, schreckte ich immer wieder aus dem Schlaf auf, weil ich entweder Lydia oder Myriam stöhnen zu hören glaubte; aber dann war's Gottseidank nie was - außer beim allerletzten Mal. Da stöhnte Myriam wirklich, und es war bereits Licht - ich meine: die Taschenlampen waren eingeschaltet, und die Kerzen brannten -, und meine Lydia war auf und raschelte. Ich schaute auf meine Uhr: schon zehn vorbei. Ich wünschte meinen zwei Lieben und Süßen mit verschlafener Stimme Guten Morgen, und sie begrüßten mich daraufhin beide mit fröhlichem Gelächter und mildem Spott über meinen gesunden Schlaf. Na, Gott sei Dank! war mein erster Gedanke. Alles in Ordnung! Der Haussegen hängt nicht schief! Aber warum stöhnt Myriam denn so? Nun, wie es sich herausstellte, immer noch über ihre in den letzten Tagen erlittenen Beschädigungen. Na, hoffentlich zählen meine Trostspende- und sonstigen Aktionen nicht dazu! Und Lydia? Wieso raschelt sie so? Naja, ganz einfach, weil sie Myriam mit einem köstlichen Frühstück - Wasser, trockenem Brot und etwas Obst - füttert und sich überhaupt sehr fürsorglich und hausfraulich betätigt.
Nachdem ich mich von
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