Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Behutsamkeit auf diesem nieder. Ich nahm die Trompete vom Intarsientisch, wohin ich sie vorher gelegt hatte, und wollte sie gerade ebenfalls auf die Truhe legen, da schoß mir ein Gedanke durch den Kopf: Wie wär's, fiel mir ein, wenn ich die Trompete 'nach Hause' mitnehme und dort mein so jäh unterbrochenes Trompetenkonzert fortsetze und meine zwei Süßen damit vielleicht in den Schlaf blase? Und als nächstes fiel mir ein, daß ich ja eigentlich noch die Lyra untersuchen und nach Möglichkeit stimmen wollte und daß ich das ebenfalls 'daheim' nachholen könnte und daß diese Beschäftigung mit zwei Musikinstrumenten meinem Seelenheil sicherlich nur gut tun würde - 'Seelenheil' allerdings nicht ganz in dem Sinn, wie's der gute, alte Epiphanios gemeint hatte. Und dann mußte ich an seine Bekenntnisse denken und daran, wie er schreibt, daß er die beiden Instrumente als Ersatz für die entnommenen Juwelen den Dämonen überlassen hatte und daß sie ihm bis dahin dazu gedient hatten, sich und seinem heißgeliebten Serapion eine einzige weltliche Freude zu vergönnen, nämlich die Musik. Ergo dessen müssen sie ihm gehört haben, und damit stellten sie sich zu meiner nicht geringen Überraschung als gar nicht altägyptisch, sondern spätrömisch oder frühchristlich oder koptisch heraus (was in diesem Fall alles gleichbedeutend ist).
Das sagte ich also meinen zwei Süßen in aller gebotenen Kürze und fragte sie, ob sie was dagegen hätten, wenn ich Trompete und Lyra 'nach Hause' mitnehmen und mich dort noch ein wenig mit ihnen beschäftigen würde. Nein, natürlich hatten sie nichts dagegen. Es dürfte ihnen sogar ziemlich egal gewesen sein, solange es unseren Rückmarsch nicht noch zusätzlich aufhielt. Und den traten wir jetzt unverzüglich an. Ich hob den umgestürzten Stuhl auf, stellte ihn auf den Intarsientisch und half als erstes Lydia und Myriam hinaufklettern; bei der Lydia ging's ganz leicht, aber bei der Myriam mußte ich richtig zupacken und antauchen - aber das tat ich ja gern! -, und Lydia mußte von oben ziehen, damit wir sie durch unser Schönes Loch hinaufbugsieren konnten. Als nächstes reichte ich der Lydia die Trompete und die Lyra hinauf und kraxelte zuletzt selber hinauf. Ich warf einen letzten staunenden Blick zurück in dieses 'Schatzhaus der Dämonen'; dann nahm ich meiner Lydia die Instrumente ab und marschierte los, und zugleich rief ich meinen Süßen zu: 'Wer mich liebt, der folge mir nach!' Und wie es sich herausstellte, liebten mich beide, denn beide folgten sie mir, ohne zu zögern, nach ... Ist was?“
Giggerle unterbricht sich unvermittelt und wirft Johnny einen fragenden Blick zu. Und in der Tat macht dieser ein eher unglückliches Gesicht und meldet sich auch gleich zu Wort: „Ja. Ich versteh' da was nicht.“
„So? Was verstehst du denn nicht?“
„Na, den Schluß dieser Bekenntnisse deines Gottessklaven Epiphanios, wo er schreibt: '... stets das Wort des Zöllners im Herzen tragend'. Was soll denn das heißen?“
„... stets das Wort des Zöllners im Herzen tragend?“ wiederholt Giggerle etwas verblüfft und wiegt nachdenklich den Kopf. „Also weißt du, daß ich diesen Schlußworten des guten Epiphanios bis heute nicht die geringste Beachtung geschenkt habe?“
„Ah - du weißt auch nicht, was er mit ihnen meint?“
„M-m, keine Ahnung!“
„Aber war das nicht ein wenig leichtsinnig von dir?“
„Ja, möglich - wer weiß?
3. Teil
Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut!
(GOETHE)
Naja, wie auch immer. Aber laß mich weiterberichten! Wir zogen also, wie gesagt, im Gänsemarsch durch die Hotelsuite und kamen alsbald zu deren Eingang, wo ich wieder einmal, einer inzwischen schon liebgewordenen Gewohnheit gehorchend, einen sehnsüchtigen Blick auf die mir so unerreichbar erscheinende lange Inschrift darüber warf. Ich müßte sie unbedingt wieder einmal lesen, dachte ich im stillen, denn nach den Erfahrungen und Entdeckungen der letzten zwei Tage versteh' ich jetzt vielleicht schon ihren tieferen Sinn - falls sie einen hat; aber davon war jetzt restlos überzeugt. Ich erinnerte mich leider nicht mehr so genau an ihren Wortlaut, und schließlich ist sie ja irrsinnig lang. Daß ich mich von Lydia und Myriam wie schon einmal in die Höhe heben ließ - nein, das war ihnen heute klarerweise nicht mehr zuzumuten. Und während mir das so oder so ähnlich durch den Kopf ging, durchzuckte es mich plötzlich: Ha - was haben wir denn soeben entdeckt? Was hab' ich denn
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