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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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gerade eben auf den Intarsientisch gestellt, damit wir leichter hinaufsteigen können? Ich brauch' doch nur diesen Stuhl durch unser Schönes Loch heraufzuziehen und hierherzutragen, und schon ...
    Da fiel mit einemmal die ganze bleierne Müdigkeit und so weiter ab von mir, und ich schrie 'Hurra!' und 'Heureka!' und setzte die Trompete an und blies auf ihr eine vielleicht etwas mißtönende, aber um nichts weniger freudige Fanfare und erklärte meinen staunenden Nachfolgerinnen den tieferen Grund meines merkwürdigen Verhaltens, und daß ich nicht plötzlich von den bösen Dämonen besessen sei, sondern daß ich jetzt wisse, wie ich diese Inschrift kopieren könne. Da machten beide ein langes Gesicht, und ich wußte genau, was sie dachten: Oje, dachten sie wahrscheinlich, wer weiß, wie lang das noch dauern wird! Ich war schon dabei zu sagen: Fürchtet euch nicht! Das dauert nicht lang! oder sowas Ähnliches - da fiel mir ein, daß ich ja gar nichts zum Schreiben mithatte; meine Reiseleitertasche mit Papier und Kuli hatte ich heute im Gegensatz zu den Vortagen in unserer Ferienwohnung liegengelassen - wieso eigentlich? Das wollte mir jetzt nicht um die Burg einfallen, war aber genau genommen scheißegal, wie meine liebe Lydia wahrscheinlich sagen würde. Was in dem Moment zählte, war einzig und allein die höchst ärgerliche Tatsache, daß mir meine neueste Entdeckung gar nichts nützte, solange ich nichts zum Schreiben dabei hatte. Aber könnte ich nicht trotzdem den Stuhl hertragen und die Inschrift zunächst einmal nur geschwind lesen und das zugegebenermaßen etwas zeitaufwendigere Kopieren auf später verschieben? Ich warf meinen zwei Süßen, Lieben und Hübschen einen kurzen Blick zu und wußte augenblicklich: nein, das könnte ich nicht! Sie würden mich fressen oder zumindest lynchen, wenn ich sie jetzt noch länger aufhalte! Also, dann gehen wir halt weiter!
    Und mit der etwas unwirschen Bemerkung, ich müsse das ohnehin auf später verschieben, weil wir alle nichts zum Schreiben dabei haben, setzte ich mich wieder in Bewegung, und sie atmeten hörbar auf und folgten mir unverzüglich, ohne irgendeinen Kommentar abzugeben. Und so marschierten beziehungsweise krochen wir in unsere Ferienwohnung zurück, machten, dort angelangt, in Anbetracht der zur Neige gehenden Wasservorräte wieder einmal bloße Katzenwäsche und ließen uns anschließend unser wie immer höchst opulentes Abendessen schmecken; das heißt, wir ließen's uns wirklich schmecken, so bescheiden die Speisekarte auch war, und ließen uns vor allem den Appetit nicht verderben durch die Sorge, ob wir morgen noch genug zum Schnabulieren haben würden. Denn wie heißt es schon in der Bibel? 'Drum fraget nicht, was ihr schnabulieren und was ihr süffeln sollt, und ängstigt euch nicht! Denn um all das sorgen sich die Heiden. Euer Vater aber weiß, daß ihr das braucht.' Naja, und außerdem hatte ich durch die heutigen Ereignisse eine gewisse Zuversicht gewonnen, daß es jetzt nicht mehr allzu lang dauern könne, bis wir aus diesem finsteren Verlies draußen sind und uns die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Und diese Zuversicht vermittelte ich natürlich meinen zwei Süßen; und die hörten die Botschaft gern, und Myriam verstand meinen Scherz mit den gebratenen Tauben, glaub' ich, sogar wortwörtlich, denn sie erwiderte ganz ernsthaft: 'Ja, ja, wozu gibt es denn bei uns so viele Taubenhäuser?'
    Ja, und dann waren wir mit unserem Festmahl fertig - ich meine: wir hörten halt zu essen auf, bevor unsere Vorräte ratzekahl aufgegessen waren, und meine zwei Süßen legten sich, todmüde, wie sie waren, umgehend schlafen. Ich war zwar ebenso todmüde, legte mich aber nicht umgehend schlafen. O nein, ich hatte heute abend noch was vor! Ich ging heute abend noch aus! Und so blies ich ihnen also zum Abschied nur eine ganz kurze Fanfare auf der Trompete unseres braven Epiphanios, legte diese dann gleich wieder zur Lyra auf meine Lagerstatt, wo ich die beiden vorläufig deponiert hatte, wünschte ihnen, nämlich meinen Süßen, sodann einen ruhigen, ungestörten, erholsamen und vor allem süßen Schlaf, damit sie am nächsten Morgen noch süßer seien, schnappte mir meine Umhängetasche, hängte mir zur Sicherheit noch eine zweite Taschenlampe um und verabschiedete mich schließlich mit einem knappen 'Tschühüs'; Bussi oder sowas gab's keines, erstens wegen der allgemeinen Müdigkeit und zweitens wegen der ganz speziellen Eifersucht.
    In der Hotelsuite

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