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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Gott sei Dank und Lob und Preis und Ehre! Während ich von der einen zur anderen blickte, blieb mein Blick plötzlich an einem metallisch glänzenden Ding hängen, das nicht weit von Myriam lag. Ich traute meinen Augen nicht: war das ein Schießeisen? Ich sprang, wie von der Tarantel gestochen, hin und bückte mich: kein Zweifel - das war ein echtes Schießeisen, offenbar dasselbe, aus dem der Schuß mit dem hübschen Feuerwerk abgegeben worden war. Ich nahm es vorsichtig in die Hände; ich hatte ja mein Lebtag noch nie so ein Schießeisen in der Hand gehalten, geschweige denn eines, das gerade erst losgegangen war. Das hier war gerade erst losgegangen. Müßten da nicht irgendwo die Spuren eines Einschlags zu finden sein? Und ich begann mit der Taschenlampe die Wände in der näheren Umgebung abzuleuchten und sie mit den Augen abzusuchen. Und ich brauchte nicht lang zu suchen: der Kopf einer lebensgroßen gemalten Figur nicht weit von unseren Lagerstätten wies eine häßliche längliche Beschädigung auf, die er vorher garantiert noch nicht gehabt hatte. Na, diese Schweine! Und mit einem reichlich vulgären Fluch, dem ersten Wort, das ich seit geraumer Zeit herausgebracht hatte, schnappte ich mir meine Umhängetasche und verstaute in ihr mit aller gebotenen Vorsicht dieses hiermit konfiszierte Schießeisen.
    Und genau in dem Moment machten meine Nerven schlapp. Mit einem Schlag begannen mir die Knie wie wild zu schlottern, und mir wurde total schwindlig, und ich mußte mich augenblicklich hinsetzen und machte vermutlich ein fürchterliches Gesicht. Jedenfalls kam auf einmal Leben in meine zwei Lieben, und sie stießen irgendwelche für mich undefinierbaren Laute aus und stürzten sich beide auf mich, und die eine hängte sich an meinen Hals, und die andere nahm meinen Kopf in ihre Hände und begann diesen mit Hingabe zu streicheln oder zu massieren oder irgend sowas; und ich könnte beim besten Willen nicht sagen, welche der beiden nun an meinem Hals hing und welche meinen Kopf bearbeitete, so fertig war ich auf einmal. Nachträglich sind mir an dieser bukolischen Szene zwei Dinge aufgefallen: erstens das völlige Fehlen irgendwelcher erotischen Gefühle meinerseits; und zweitens das völlige Fehlen irgendwelcher Eifersuchtsgefühle auf seiten der Lydia. Das war offenbar Liebe pur: ohne Eifersucht, aber auch ohne Erotik.
    Naja. Jedenfalls blieb dieses Spenden von Liebe pur durch meine zwei Süßen, Lieben und Hübschen auf die Dauer nicht ohne Wirkung. Wie lang es zwar dauerte, bis besagte Wirkung eintrat, könnte ich beim besten Willen nicht sagen. Aber irgendwann trat sie eben ein, und dann beendete ich diese bukolische Szene ziemlich abrupt, indem ich meine Trösterinnen sozusagen abschüttelte, aufstand, mich ausgiebig streckte und heftig gähnte. Dann schaute ich unschlüssig herum, und dabei fiel mein Blick auf unsere Lebensmittelvorräte, die alten und die neuen mit den aus eigenem Antrieb mitgebrachten guten Sachen, für die sie sich etwas Dankbarkeit erwartet hatten, diese Schweine; und diese guten Sachen lagen jetzt zum Teil zerquetscht und zerbröselt auf dem Boden herum und boten keinen besonders appetitlichen Anblick. Und wer war schuld daran? Ich, weil ich auch so wild mit meiner braven Trompete herumfuchteln mußte. Und dann sah ich inmitten dieser Ansammlung zerquetschter und zerbröselter Köstlichkeiten etwas liegen, was ich dort am allerwenigsten vermutet hätte: ein langes, wohlgeschliffenes und lustig funkelndes Messer. Ich bückte mich nach ihm, hob es auf und betrachtete es von allen Seiten. Dann hielt ich es in die Höhe und zeigte es wortlos und grimmig lächelnd meinen zweien; und diese stießen daraufhin einen ganz entzückenden zweistimmigen Schrei aus, verdrehten die Augen und gaben noch weitere Symptome von wildem Entsetzen von sich. Über solche Zeichen weiblicher Schwäche war ich selbstredend erhaben. Ich lächelte weiterhin grimmig und steckte das Corpus delicti in meine Reiseleitertasche, wo ja schon ein anderes derartiges Corpus delicti verwahrt lag.
    Und kaum hatte ich das getan, als meine ganze herrliche Überlegenheit wie eine Seifenblase zerplatzte. Ich begann erneut am ganzen Leib wie Espenlaub zu zittern, und erneut glaubte ich das Gleichgewicht zu verlieren und mußte mich blitzschnell hinsetzen. Zum Glück hatte ich ja zwei erprobte Trösterinnen, und die stürzten sich erneut auf mich und spendeten mir das gleiche wie zuvor, nämlich Liebe pur, und wieder mit demselben

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