Geliebte Myriam, geliebte Lydia
betrachtete unser Massenlager mit ähnlich zärtlichen Gefühlen, und wir begannen unseren Auszug - beinahe hätte ich gesagt: unseren Auszug aus Ägypten.
4. Teil
Auszug aus Ägypten
(EXODUS)
Unser erster Weg führte klarerweise ins 'Schatzhaus der Dämonen', aber unterwegs zeigte ich meinen zwei Süßen die von mir entdeckte Stelle, wo der verschüttete Gang abzweigt, und dort ließen wir inzwischen unsere Taschen und vor allem die zwei Freßsäcke stehen; wir würden ja sowieso gleich wieder zurückkommen, und dafür würde ich dann vom Eingang zur Hotelsuite den Stuhl mitnehmen, erstens, weil Ordnung sein muß, und zweitens, weil er uns ja beim Ein- und vor allem Aussteigen noch gute Dienste leisten würde. Als wir aber dann bei ihm angekommen waren und ich ihn schon gepackt hatte, da fiel mir ein, daß es ja da für mich noch was zu erledigen gab, und ich bat meine zwei Lieben, doch so lieb zu sein und mit mir erstens noch fünf Minuten Geduld zu haben und mir zweitens so lange auf die Inschrift hinaufzuleuchten. Und das machten sie mir, wenn auch ohne große Begeisterung - das sah ich ihnen an der Nasenspitze an, besonders der Myriam -, und ich stieg auf den Stuhl und kopierte jetzt endlich die Inschrift, die mich auf den richtigen Weg gebracht hatte - falls es der richtige war; das mußte sich ja erst herausstellen.
Sobald das erledigt war - und es hatte wirklich kaum länger als fünf Minuten gedauert -, stieg ich wieder herunter, dankte meinen zweien und packte den Stuhl jetzt endgültig, und so setzten wir jetzt unseren Weg fort und pilgerten voraussichtlich zum allerletzten Mal zu unserem Schönen Loch. Hier erklärten zuerst Myriam und dann, wahrscheinlich nach Myriams Vorbild, auch Lydia, inzwischen dableiben und auf mich warten zu wollen, während ich in das unberührte Grab hinuntersteige. Also gut, so stieg ich eben allein hinunter, nachdem ich den Stuhl wieder auf den Intarsientisch hinuntergelassen hatte, ließ mir von ihnen die Trompete und die Lyra nachreichen und legte sie mit Gefühlen der Dankbarkeit auf ihren Platz. Dann bahnte ich mir den Weg zwischen den zahllosen Grabbeigaben bis zu jener Holzkiste mit den vielen Werkzeugen. Vor dieser blieb ich stehen und überlegte, welche Werkzeuge uns wohl den besten Dienst erweisen würden. Ich nahm das eine und das andere prüfend in die Hand und entschied mich schließlich für drei Hauen mit kurzem Holzgriff und verhältnismäßig großem, in spitzem Winkel zum Griff angebrachtem Bronzeblatt. Die behielt ich also in der Hand, bedankte mich im Geist bei ihrem Eigentümer für diese hoffentlich nur zeitweise Leihgabe und trat sogleich den Rückweg an.
Diese drei Hauen brachten mich übrigens auf eine Idee, die ich umso besser fand, je länger ich darüber nachdachte. Während ich sie nämlich meinen zwei Süßen durchs Schöne Loch hinaufreichte, um anschließend selber nachzuklettern, fiel mir ein, daß wir eigentlich die moralische Verpflichtung hatten, ja, daß es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit war, dieses unberührte 'Schatzhaus der Dämonen' nach Möglichkeit vor der Begehrlichkeit der Grabräuber und Terroristen zu schützen, mit anderen Worten: das Loch, das wir aufgerissen hatten, wieder zuzumachen; und dabei könnten wir diese altägyptischen Hauen, die uns ja den Weg in die Freiheit öffnen sollten, gleich einmal auf ihre Verwendbarkeit ausprobieren und bei Bedarf sofort auswechseln - ein Probelauf sozusagen. Wieder war Myriam von meiner Idee zwar nicht sonderlich begeistert, aber sie sah wenigstens ein, daß sie richtig war, und entzog sich auch nicht der Mitarbeit. Na gut, ein Streik ihrerseits hätte die von ihr befürchtete, oder besser: beklagte, Verzögerung natürlich nur noch vergrößert.
Nun, wie es sich herausstellte, war die Verzögerung durch das Wiederschließen des Schönen Lochs minimal. Wo wir für das Öffnen mit meinem tibetanischen Silberlöffel und mit Lydias und Myriams bloßen Händen praktisch einen ganzen Tag gebraucht hatten, brauchten wir jetzt zum Wiederschließen mit den altägyptischen Hauen keine zehn Minuten, wobei noch dazu ein beträchtlicher Teil dieser Zeit für das Aufstellen der Steinplatten aufging. Und damit bewährten sich die Hauen also bestens und gaben uns berechtigten Anlaß, dem weiteren Verlauf der Ereignisse mit einem gewissen Optimismus entgegenzusehen.
So nahmen wir also mit einem relativ zufriedenen Blick auf unser Werk von unserem nicht mehr existierenden Schönen Loch
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