Geliebte Myriam, geliebte Lydia
wanderte, zwar müde und erschöpft, aber relativ beschwingten Herzens, in unsere Ferienwohnung zurück. Und wie sah's dort aus? Diese Frage beschäftigte mich jetzt umso heftiger, je näher ich meinen zwei Süßen kam. Ich war nämlich momentan weder auf irgendwelche Liebesszenen und schon gar nicht auf irgendwelche Eifersuchtsszenen neugierig. Ich lechzte nur nach einem: Ausruhen und Schlafen, und zwar richtig Schlafen, nämlich für mich allein. Na, und wie sah's dann wirklich aus? Genauso, wie ich's erhofft hatte: meine zwei Süßen schlummerten tief und fest, und Myriam schnarchte sogar ein bisserl, und sie ließen sich von mir überhaupt nicht stören. Aber natürlich bemühte ich mich auch, sie nach Möglichkeit nicht zu stören, versuchte keinerlei Geräusch zu machen, knipste meine zwei Taschenlampen rechtzeitig aus und ließ sie der Einfachheit halber gleich umgehängt und tastete mich im Dunkeln bis zu meiner Lagerstatt. Dort hatte ich dann allerdings ein etwas schmerzhaftes Erlebnis - na gut, schmerzhaft ist vielleicht ein wenig übertrieben; es dürfte eher der Schreck gewesen sein. Ich hatte nämlich total vergessen, daß ich ja die Trompete und die Lyra auf meiner Lagerstatt deponiert hatte, und meine zwei Süßen waren nicht so viel gewesen, daß sie sie mir auf die Seite oder sonstwohin gelegt hätten, um mir ein schmerzfreies oder schreckfreies Schlafengehen zu ermöglichen und gleichzeitig sich selber einen ungestörten Schlaf zu sichern, denn ich konnte nur mit Mühe einen Schmerzens- oder Schreckensschrei unterdrücken. Also rappelte ich mich noch einmal auf, tastete vorsichtig nach meinen hölzernen und bronzenen Rivalen, die mir da den Platz streitig zu machen versuchten, schnappte sie mir und beseitigte sie - das heißt, nein, 'beseitigen' trifft den Sachverhalt nicht ganz. Ich hab' sie zum Glück nicht wirklich beseitigt - zum Glück deshalb, weil sie mir bald darauf noch äußerst nützlich werden sollten. Nein: die Trompete legte ich einfach an den rechten Rand meiner Lagerstatt, also konkret zwischen mich und Lydia, und die Lyra, die dafür zu breit war, lehnte ich hinter meinem Kopf an die Wand, und fertig.
So, und jetzt hielt mich nichts mehr von meiner langersehnten und wohlverdienten Nachtruhe ab. Ich legte mich hin, horchte noch einmal kurz, ob Lydia und Myriam nach wie vor süß schlummerten, streckte mich genüßlich, gähnte herzzerreißend und muß im nächsten Augenblick weg gewesen sein; jedenfalls setzt mit dem herzzerreißenden Gähnen meine Erinnerung aus - das heißt, meine Erinnerung an irgendwelche Erlebnisse im Wachzustand. Im Traum hatte ich hingegen höchst interessante Erlebnisse. Ich träumte nämlich von der Lyra und der Trompete und holte im Traum alles das nach, was ich mir eigentlich für den Abend vorgenommen und dann nicht ausgeführt hatte: ich stimmte die Lyra und zeigte meiner Lydia, wie man richtig darauf spielt, und holte dann die Trompete hervor und entzückte meine zwei Süßen und mich selber am allermeisten, indem ich uns ein ganzes Potpourri klassischer und auch weniger klassischer Musik vorspielte; und ich trompetete mit Hingabe und aus Leibeskräften. Und dann begannen Lydia und Myriam mitzusingen, nicht schön, aber laut, und ihr Gesang - oder soll ich sagen: Geschrei? - wurde immer lauter, und meine Trompete wurde immer lauter, und dann krachte und polterte es plötzlich, und es wurde taghell, und da sahen wir zu unserer freudigen Überraschung, wie die Wände und Decken unseres unterirdischen Verlieses wie durch die Posaunen von Jericho unter ohrenbetäubendem Krachen und Poltern zusammenstürzten und die langvermißte Sonne hereinschien und unsere Augen blendete. Aber davon wurde ich leider wach und kann daher nicht sagen, wie dieser Traum weitergegangen wäre, und vor allem, ob's uns in der Folge gelungen wäre, hinaus in die Freiheit zu gelangen.
Also, wie gesagt, davon, daß die Sonne hereinschien und meine Augen blendete, wurde ich leider wach, und ich hatte nicht das Gefühl, besonders lang geschlafen zu haben. Und als nächstes wurde mir bewußt, daß das ja leider gar nicht die Sonne war, die meine Augen blendete, sondern eine besonders starke Lampe, oder genauer: mehrere Lampen, die sich unruhig hin- und herbewegten. Im ersten Moment drehte ich mich um und versuchte weiterzuschlafen beziehungsweise wieder einzuschlafen, aber das gelang mir nicht. Denn jetzt schaltete sich auf einmal wieder mein Verstand ein und sagte mir, daß das doch
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