Geliebte Myriam, geliebte Lydia
nämlich im Gang heraußen bleiben konnte, in dem immer ein leichter Luftzug zu spüren war.
Nun hätten wir uns natürlich die Arbeit etwas erleichtern können, indem wir den Sand bis zum Felsboden hinunter abgegraben hätten, und dann hätten wir wahrscheinlich aufrecht stehen können. Aber diese kleine Erleichterung hätte einen Riesenmehraufwand an Arbeit bedeutet, das war uns von vornherein klar, und drum ließen wir's eben sein und knieten lieber oder krabbelten auf allen vieren herum wie die lieben Kleinen. Ja, und wie gesagt, trotz meinem gemütlichen Arbeitstempo machte die Arbeit dank unseren altägyptischen Hauen schöne Fortschritte, und ich wurde immer optimistischer und euphorischer. Aber gleichzeitig bedeutete das, daß Lydias Arbeit des Sandwegräumens immer mehr und immer schwerer wurde; sie mußte ja den von mir abgegrabenen Sand über eine immer weitere Strecke befördern. Und so stellte es sich immer mehr heraus, daß im Vergleich dazu das eigentliche Abgraben ein reines Kinderspiel war. Und daher schlug ich Lydia nach einiger Zeit vor, die Arbeitsbereiche zu tauschen, und siehe da, diesen Vorschlag nahm sie mit sichtlicher Erleichterung an; ich glaubte direkt zu hören, wie ihr ein Stein vom Herzen plumpste. Und jetzt merkte ich erst so richtig, wie anstrengend ihre Arbeit geworden war. Inzwischen waren schon fast zwei Meter Gang freigelegt, und über diese ständig wachsende Entfernung mußte der Sand geschoben werden. Überdies erkannte ich bald, daß der inzwischen aufgehäufte Sand im alten Gang noch ein gutes Stück weiter weggeschoben werden mußte, wenn noch Platz für weiteren sein sollte; und wir wußten ja nicht, wieviel noch dazukommen würde.
Zum Glück wurde Myriam bald wieder von selber wach und erkannte nach nur kurzer Beobachtung der Szene, daß es da inzwischen durchaus Platz für drei gab. Und sie übernahm die Aufgabe, den im alten Gang aufgehäuften Sand noch weiter wegzuschieben. Und damit war die Arbeit optimal aufgeteilt. Ja, ja, aufgeteilt war sie optimal; nur: mein Anteil wuchs, je weiter sie fortschritt, umso mehr an - zwei Meter - drei Meter - vier Meter; und so ging das weiter, und es kam der Zeitpunkt, wo ich mit meinen Süßen einfach nicht mehr Schritt halten konnte und mir zuerst Myriam und dann auch Lydia helfen mußte. Und so traten auf die Dauer zwei absolut gegensätzliche Effekte gleichzeitig ein: einerseits wuchs die Länge des freigelegten Gangabschnitts und damit unsere Euphorie über die vermutete Nähe der Freiheit ständig an, andererseits wurde der sichtbare Fortschritt ständig langsamer und die Arbeit als solche ständig mühsamer, und proportional dazu schmerzten uns sämtliche Körperteile und vor allem der Rücken und das Kreuz immer mehr. Trotzdem schufteten wir unermüdlich und machten nur dann und wann eine ganz kurze Pause. Aber daß sich einer von der gemeinsamen Arbeit gedrückt oder gar, wie am Anfang die Myriam, zum Schlafen hingelegt hätte, das kam jetzt nicht mehr vor und wäre allen auch vollkommen absurd erschienen.
Und so war's inzwischen sieben Uhr geworden (sieben Uhr am nächsten Morgen, wohlgemerkt), und wir hatten bis dahin schätzungsweise sieben oder acht Meter Gang freigelegt oder genauer: teilweise freigelegt, so nämlich, daß man bequem auf allen vieren durchkrabbeln konnte - falls 'bequem' in diesem Zusammenhang der richtige Ausdruck ist. Und dann begann die Höhe der Verlegung des Gangs durch Sand plötzlich abzunehmen, und wir jubelten und arbeiteten noch schneller und mit noch größerem Eifer; und nun begann die Arbeit auch wieder schneller voranzugehen, weil immer weniger Sand abzutragen war. Und es kam der Zeitpunkt, wo überhaupt nichts mehr abzutragen war, so daß wir unter lauten Jubelschreien und zugleich mit klopfendem Herzen durchkriechen konnten. Und die Höhe der Verlegung nahm immer weiter ab, und plötzlich stießen unsere Hände auf Fels, und wir probierten aufzustehen und merkten, daß wir tatsächlich aufrecht stehen konnten. Da fielen wir uns alle drei begeistert um den Hals und lachten und jubelten, und meine zwei Süßen fingen vor Freude zu heulen an, und die Tränen bildeten tiefe Rinnen auf ihren sand- und staubbedeckten Wangen. Aber diese Szene dauerte nicht allzu lang, und dann machte sich Myriam frei und rief, immer noch weinend, aus: 'Auf, auf! Schließen wir den andern Gang, bevor sie uns finden!' Und damit drehte sie sich um, warf sich auf den Boden und begann den ganzen Weg, den wir bis
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