Geliebte Myriam, geliebte Lydia
und ich Hand in Hand hintennach. Unser Weg führte weiterhin talaufwärts, also eigentlich genau in die verkehrte Richtung, und wir bewegten uns vorerst immer noch im Schatten der südwestlichen Felswände. Aber dann traten diese auf einmal zurück und bildeten eine weite Talmulde, in die wieder die Sonne ungehindert hineinbrannte - allerdings stand diese inzwischen schon deutlich niedriger am Himmel - und von der aus mehrere Seitentäler abzweigten, und wir erkannten, daß wir wie weiland Herakles an einem Scheideweg angelangt waren. Hier blieb Myriam stehen und wartete, bis wir, nämlich Lydia und ich, nachkämen. Bevor wir ihr nachgekommen waren, entzog mir Lydia zu meinem großen Bedauern ihre Hand und wollte sie mir trotz meiner stummen Annäherungsversuche nicht wieder geben. Dabei tat mir ihre körperliche Nähe und die Berührung ihrer Hand gerade in meinem gegenwärtigen Zustand unheimlich wohl beziehungsweise hätte mir auch weiterhin wohlgetan, aber offenbar fürchtete sie seltsamerweise auf einmal Myriams Eifersucht, und das ausgerechnet zu einem solchen Zeitpunkt. Na, anscheinend denken Frauen, ganz egal, in welcher Situation, wirklich immer nur an das eine!
Wir kamen also der Myriam nach, und diese blickte in die Runde, wandte sich dann uns zu und sagte: 'Wohin jetzt?' Ja, wohin jetzt? Eine gute Frage! Ich blickte ebenfalls in die Runde, betrachtete sehr aufmerksam das Gelände und stellte fest, daß sich das eine Haupttal, durch das wir gezogen waren, hier in eine ganze Reihe von Nebentälern aufspaltet. Nachdem wir genau in der verkehrten Richtung unterwegs waren, mußten wir folglich möglichst bald und in möglichst scharfem Winkel abbiegen. Die Nebentäler, die von dieser Mulde hier abzweigten, gingen, soweit das von dieser Stelle aus zu erkennen war, alle in eine Richtung, die zwischen Norden und Westen lag; in östliche Richtung zweigte anscheinend keines ab.
Also beantwortete ich Myriams Frage, indem ich einfach mit dem Kopf in die Richtung des ersten Tales links deutete, woraufhin sie mir durch eine Handbewegung deutete, ich möge nur vorangehen. Naja, da setzte ich mich eben gleich wieder in Bewegung und schlug wortlos die von mir selber bezeichnete Richtung ein, und meine zwei Süßen folgten mir ebenso wortlos im Gänsemarsch nach. Ihr seht also, übertrieben gesprächig waren wir zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht, und wir schleppten uns auch weiterhin in dumpfem Schweigen dahin. Jawohl, wir schleppten uns nur mehr, denn jetzt ging's bergauf. Das war's zwar vorher auch schon gegangen, aber nur fast unmerklich und eben im Schatten der Felswände. Jetzt ging's steil bergauf, und dazu hatten wir jetzt keinen Schatten mehr, sondern mußten uns erneut in einem Backofen backen oder braten lassen - oder auch rösten oder meinetwegen dünsten - was weiß ich. Und um das Maß voll zu machen, schien uns die liebe Sonne jetzt zunehmend direkt ins Gesicht und ließ uns den Schweiß in Strömen über den ganzen Körper rinnen. Wenn wir wenigstens was auf dem Kopf gehabt hätten! Dann hätten wir zwar vielleicht noch mehr geschwitzt, obwohl ich mir gar nicht vorstellen kann, daß das überhaupt noch möglich gewesen wäre, hätten dafür aber unseren edelsten Körperteil halbwegs vor ihren ach so liebevollen Küssen schützen können.
Ja, wie gesagt, so schleppten wir uns halt himmelwärts, niedergedrückt von Muskelkater, Kopfweh und Übelkeit, nicht zu vergessen die Erinnerung an die bestürzenden Erlebnisse soeben, außerdem hilflos den Küssen der lieben Sonne ausgesetzt, und kein Ende war in Sicht, und wir waren offenbar drauf und dran, die Freuden der Wüste endlich so richtig kennenzulernen. Ja, ja. Und dann machte es hinter mir auf einmal plumps!, und gleichzeitig gab Lydia einen spitzen Schrei von sich, und ich drehte mich erschrocken um, und da lag die arme Myriam flach auf dem steinigen Boden und streckte alle viere von sich. Na, wenigstens war sie halbwegs weich gefallen, denn sie lag der Länge nach über dem Freßsack, den sie getragen hatte. Die liebe Lydia warf sich vor ihr sofort auf die Knie und begann augenblicklich mit verschiedenen Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie sie offenbar in solchen Fällen üblich sind. Damit hatte sie auch wirklich Erfolg, und nach kurzer Zeit begann sich Myriam zu meiner großen Erleichterung wieder zu bewegen, schlug die Augen auf und versuchte ein schwaches Lächeln. Ich selber war über ihr Mißgeschick so konsterniert, daß ich das Allernaheliegendste
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