Geliebte Myriam, geliebte Lydia
an meiner Brust. Ach, Scheiße, die hatte ich ja schon längst abgenommen und in die Tasche gesteckt! Aber da ging auch schon ein anderes Licht an; Myriam hatte eine Lampe eingeschaltet und begann jetzt mit ihr im Sitzen den Boden abzuleuchten. Lydia war sogar aufgesprungen, schaltete kurz danach ebenfalls eine Lampe ein und unterstützte Myriam bei ihrer Tätigkeit, während ich mich bisher nur auf den Ellbogen aufgestützt hatte und meinen zwei Süßen verwundert und sogar etwas unwillig bei ihren seltsamen Darbietungen zuschaute. Plötzlich begannen sie von neuem zu kreischen, und da erkenne ich auf dem Boden im Licht ihrer Taschenlampen die schemenhaften Bewegungen eines Tieres. Im selben Moment bin ich auf einmal nicht nur hellwach, sondern gesund und munter und springe mit einem Satz auf, bücke mich aber sofort wieder und hebe einen größeren Stein auf. Aber wo ist es jetzt? Meine zwei Süßen lassen erneut ihre Lampen kreisen, und da sehe ich's plötzlich wieder, und vor Schreck rutscht mir das Herz in die Hose: es ist eine zwar ganz entzückende, aber leider entsetzlich große Spinne, der Leib allein so groß wie eine Kinderfaust. Sofort entwischt sie wieder aus dem Bereich der Lichtkegel, wird von diesen wieder eingeholt, entwischt von neuem, wird von neuem eingeholt. Aber inzwischen habe ich mich von meinem Schrecken erholt und stürze mich mit dem Stein in der Hand auf sie, bin aber viel zu langsam, stürze mich noch einmal auf sie - mit demselben Erfolg. Dann ist sie mit einemmal verschwunden und bleibt trotz eifrigster Suche verschwunden, und wir überlegen schon, ob wir uns wieder zur Ruhe begeben können; außerdem meldet sich schlagartig wieder meine Übelkeit und mein Kopfweh zur Stelle. Wie ich gerade dabei bin, mich zumindest hinzusetzen, stößt Lydia schon wieder so einen spitzen Schrei aus, packt mich am Handgelenk und zieht mich mit einer Kraft, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte, in die Höhe; mit der anderen Hand deutet sie aufgeregt auf die Stelle, auf die ich mich soeben hinsetzen wollte. Da reißt mir die Geduld, und ich schmeiße blindwütig den Stein mit aller Kraft dorthin, so daß er in zwei Teile zerbricht. Aber wie ich diese anschließend umdrehe, um den Erfolg meiner Gewaltaktion zu begutachten, da stellt sich heraus, daß von dem Viech nichts zu sehen ist, nicht einmal irgendwelche Fragmente oder sonstige Spuren. Gleichzeitig kreischt Myriam, und da beschließe ich, mich nicht länger an der Nase herumführen zu lassen, sondern dieses Mistviech ganz einfach zu zertreten; zum Glück hab' ich ja beim Schlafengehen meine Schuhe angelassen. Augenblicklich springe ich auf die Stelle in Myriams Lichtkegel zu, wo ich's huschen sehe - aber zu spät, entdecke es wieder, springe wieder, bin wieder zu spät dran, und so geht das jetzt weiter - eine groteske Situation, findet ihr nicht? Und sie wird noch grotesker dadurch, daß zeitweise nicht einmal klar ist, wer da jetzt eigentlich wen jagt. Unser Mistviech huscht nämlich nicht nur ungeheuer flink über die Steine und schlägt dabei Haken wie ein Hase - in die Enge getrieben, geht es sogar zum Angriff über, vollführt unglaubliche Sprünge, einen Meter weit und mehr - wirklich wahr! -, und hüpft uns bis in Kniehöhe gegen die Beine, so daß wir uns jedesmal mit einem Satz in Sicherheit bringen müssen. Mehrmals ist es entschwunden, taucht dann im Lichtkegel einer der beiden Taschenlampen wieder auf, wird, wahrscheinlich wegen seiner Tarnfarbe, von uns regelmäßig zu spät erkannt, nämlich, wenn es entweder davonhuscht oder einem von uns gegen die Beine springt, und ist dann wieder verschwunden.
Irgendwann geben wir auf. Wir packen wortlos unsere Siebensachen und räumen besiegt das Feld, das heißt, wir machen uns erneut auf die Socken und trotten niedergeschlagen und mit einer sagenhaften Wut im Bauch davon. Wir setzen unseren Weg bergauf fort und schleppen uns zirka eine Viertelstunde dahin. Und da erleben wir einmal zur Abwechslung eine höchst angenehme Überraschung: wir stoßen plötzlich auf eine größere Sandfläche mit nur wenigen Steinen drauf, ein bisserl steil zwar, aber das ist uns jetzt echt egal. Wir sehen bei jedem Stein genauestens nach, was sich eventuell drunter versteckt, und schmeißen ihn anschließend so weit weg, wie's unsere noch vorhandenen Kräfte erlauben. Dann werfen wir unsere Siebensachen ab, lassen uns erschöpft in den Sand fallen und versuchen unseren so rüde unterbrochenen Schlaf fortzusetzen,
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