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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Fall hinunter, und das war ein ziemlich steiler und steiniger, aber glücklicherweise kein felsiger Abstieg. In besagtem Einschnitt glücklich angelangt, stießen wir zu unserer Freude auf einen ausgetretenen Bergpfad, der allem Anschein nach zumindest teilweise um den pyramidenförmigen Berg herumführt. Ihm folgten wir und kamen so auf die andere Seite des Berges, und hier erlebten wir unsere nächste freudige Überraschung: wir standen hier bereits praktisch direkt oberhalb des Niltals und konnten über den Fluß hinweg direkt nach Luxor hinüberschauen. Wir sahen die zweitürmige Kirche inmitten der Stadt, erspähten den Luxor-Tempel am Flußufer und konnten außerhalb des Stadtgebietes den riesigen Komplex des Karnak-Tempels erkennen. Es war wirklich und wahrhaftig Luxor. Und was wartete dort auf uns? Wasser zum Baden, ein Bett zum Schlafen und Speis und Trank zum Speisen und Trinken! Herz, was begehrst du mehr? Und sobald wir uns an diesem so erfreulichen und vielversprechenden Anblick satt gesehen hatten, folgten wir weiterhin dem erwähnten Bergpfad, und der begann bald danach sanft abzufallen und brachte uns unserem Ziel sichtlich immer näher; dieses hatten wir jetzt nämlich ständig vor Augen.
    Und dann öffnete sich plötzlich der Blick in ein Seitental, und wir erkannten unter uns das uns schon wohlbekannte Tal der Könige, in dem wir vor vielen Monaten mit unserer ganzen lieben Großfamilie unter Myriams fachkundiger Führung drei Königsgräber besichtigt hatten - oder war das wirklich erst eine Woche her? Und ich erinnerte mich an die unheimlichen Gefühle, die ich damals bei meinem allerersten Besuch altägyptischer Gräber empfunden hatte - nicht ahnend, wie vertraut mir das Leben in ihnen noch werden sollte. Während ich, in diese Gedanken versunken, mit meinen zwei Süßen am Arm, oder genauer: an den Armen, langsam dahinzog, erreichten wir einen viel stärker ausgetretenen Fußpfad, in den unser Pfad einmündete, und ich erkannte in ihm den Weg, auf dem ich vor einer Woche mit dem Großteil meiner Leute, aber ohne Myriam, vom Tal der Könige zum Terrassentempel der Königin Hatschepsut hinübergewandert war, ähnlich unausgeschlafen wie heute, aber ansonsten ohne besondere Unpäßlichkeiten, und auch meine Lydia ohne ihre zum Teil höchst peinlichen Unpäßlichkeiten; und wir waren damals zwar vielleicht verstaubt und verschwitzt, aber nicht annähernd so verdreckt wie heute, und abgerissen und verstunken schon gar nicht.
    Naja, und jetzt erhob sich wieder einmal die Frage: wohin? Wir hatten schon die ganze Zeit daran gedacht, uns an eines der Touristenzentren anzuschleichen und uns von dort mit einem Touristenbus zur Nilfähre zurückkutschieren zu lassen. Das ersparte uns erstens eine stundenlange Wanderung - denn mit einem freien Taxi durften wir dort nicht rechnen -, und vor allem fühlten wir uns in einem Touristenbus noch am sichersten. Wir durften und wollten kein Risiko eingehen. Wir hatten jetzt also konkret die Wahl, ins Tal der Könige abzusteigen oder weiter zum Hatschepsut-Tempel zu wandern. Nun fiel uns aber auf, daß unter uns im Tal der Könige keine Menschenseele zu sehen war. Nur ein Hund schien mitten auf dem Platz zwischen den Königsgräbern ein spätes Nachmittagsschläfchen zu halten; offenbar genoß er den Schatten, der den ganzen Talboden ausfüllte. Naja, es war ja auch schon fünf Uhr. Jetzt meldete sich nach langem Schweigen Myriam wieder einmal zu Wort und erklärte mit Bestimmtheit, daß wir das Tal der Könige meiden müßten; denn falls es dort wirklich keinen Touristenbus mehr gebe, so müßten wir entweder denselben Weg wieder heraufsteigen oder aber das ganze Tal auswandern, und das sei ein riesiger Umweg. Außerdem seien wir dort exakt in derselben Situation wie gestern in jenem Felsental.
    Nein danke, danach hatten wir keinen übertriebenen Bedarf, und so fiel die Entscheidung nicht schwer: auf dem uns nun schon bekannten Weg zum Hatschepsut-Tempel weiterhatschen. Dabei kamen wir wieder zu der Stelle mit dem atemberaubenden Tiefblick zu letzterem, und wir waren diesmal wieder genauso begeistert, wenn auch in erster Linie nur deshalb, weil wir ihn mit Menschen bevölkert sahen; und aus diesem Anblick schöpften wir enorme Zuversicht und sogar neue Kraft. Dann erinnerten wir uns daran, wie wir vor einer Woche hier auf diesem Weg von ganzen Horden angeblicher Antiquitätenverkäufer belästigt worden waren. Die waren jetzt, Gott sei Dank, weg. Die hätten wir

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