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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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heute nicht mehr ausgehalten.
    Der Weg führte noch eine Zeitlang relativ flach und harmlos dahin, aber in seinem Schlußabschnitt wurde er steil und steinig. Hier konnten wir nicht mehr gut zu dritt Arm in Arm dahinspazieren. Andererseits wollte ich Myriam aus den bekannten Gründen auch nicht allein gehen lassen, und so ließ ich zwar Lydia aus, packte aber dafür Myriam umso fester am Ellbogen und brachte sie auf diese Weise auch wirklich heil und unbeschädigt ins Tal hinunter. Trotzdem war's ein großer Fehler. Meine arme Lydia stürzte nämlich und zerriß sich jetzt nicht nur ihre Hose total - aber das wäre nur halb so schlimm gewesen -, sondern schlug sich eine richtige Platzwunde am Kopf, und aus der blutete sie wie ein ... o pardon! ... blutete sie ziemlich stark, und das Blut rann ihr über die Schläfe und die Wange in den Hals, und wir waren völlig ratlos, was wir dagegen tun sollten. Zuerst wischte ihr Myriam das Blut mit unseren Taschentüchern weg, aber die waren natürlich alles andere als sauber und zum Verbinden der Wunde selbst daher völlig ungeeignet, und Verbandsmaterial hatte ich zwar mit, aber im Koffer, und wo war der? Schließlich entschlossen wir uns, lieber gar nichts zu machen und die Wunde einfach bluten zu lassen; das schien in unserem Fall vorläufig das Sicherste zu sein, denn das Blut, das aus der Wunde rinnt, spült eingedrungene Krankheitserreger heraus; das hatte ich einmal irgendwo gelesen. Und ihr Gewand war sowieso zum Wegschmeißen; das war nun auch schon egal. Und tetanusgeimpft war unsere liebe Lydia hoffentlich? Ja, das war sie, Gott sei Dank. Sie sagte es mit einem ganz bezaubernden Lächeln, das in ihrem blutverschmierten Gesicht, ehrlich gesagt, nur umso bezaubernder aussah. Das eine muß ich nämlich sagen: ich bewunderte sie damals maßlos, wie sie in dieser Situation nicht ihre Nerven verlor und in Heulen und Zähneknirschen ausbrach, sondern ihre Fassung bewahrte. Natürlich, ein bisserl betroppezt schaute sich schon drein, als ich sie vom Boden auflas und als erstes einmal hinsetzte, aber das ist ja schließlich kein Wunder; das machte der Schock. Aber sobald der halbwegs überwunden war, begann sie, wie gesagt, bezaubernd zu lächeln und erklärte, macht nichts, wir sind jetzt eh bald im Hotel, und die können dann einen Arzt rufen. Und sie raffte sich nach kurzer Zeit selber auf und mahnte zum Aufbruch, damit wir nicht zu spät kämen; und dabei deutete sie zum Parkplatz hinunter. Der war nämlich von unserem Standpunkt aus bereits deutlich sichtbar, und auf ihm stand ein einzelner Bus einsam und verlassen herum und wartete sichtlich auf die Fahrgäste, die man im Hintergrund auf den Tempelterrassen erkennen konnte. Naja, objektiv gesehen hatte sie damit natürlich absolut recht, und ich war ihr im stillen irrsinnig dankbar, daß sie so tapfer und vernünftig war, und beschloß, in Hinkunft auch meine eigenen Wehwehchen nicht mehr so ernst zu nehmen. Übrigens hat sie mir später erzählt, daß ihr dieses Mißgeschick aus reiner Unachtsamkeit passiert sei, und unachtsam sei sie nur deshalb gewesen, weil sie eben zu viel und zu intensiv auf den Parkplatz mit dem einen Bus hinuntergeschaut habe.
    Ja, ja, das war eben die Vorfreude. Seht ihr, so leicht kann man eigentlich einem Menschen eine Freude machen ...“
    „... und einem Hund!“ wirft die Henne ein.
    „Wieso einem Hund?“ fragt Johnny erstaunt, und Giggerle erklärt etwas indigniert: „Der mitten auf dem Platz schlafende Hund - der war im Tal der Könige. Wir sprechen jetzt aber vom Parkplatz des Hatschepsut-Tempels oder von Der el-Báhari, falls dir diese Bezeichnung lieber ist. Mir scheint, du hast, ähnlich wie Lydia damals, zuwenig aufgepaßt!“
    „Soso, glaubst du?“ erwidert die Henne und grinst schelmisch. „O nein, cher ami, du kannst ganz zufrieden sein mit mir, ich habe gut aufgepaßt. Du hast natürlich gemeint: wenn es einem Menschen schlecht genug geht, freut er sich schon über ganz selbstverständliche Dinge. Stimmt's?“
    „Ja, freilich!“
    „Na also! Und dazu paßt, was ich einmal bei Konrad Lorenz gelesen habe. Der zitiert irgendwo einen angeblich uralten österreichischen Bauernscherz, und der geht ungefähr so: Heut' mach' ich meinem Hund eine Freud': erst hau' ich ihn recht, und nachher hör' ich wieder auf.“
    Giggerle nickt ernst und sagt in deutlich gnädiger gewordenem Ton: „Aha, paßt nicht schlecht. Somit wären wir drei also Hunde gewesen, denen das Schicksal,

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