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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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stieß ich ganz erregt aus und versuchte meine zwei Lieben quasi abzuschütteln, was mir aber erst nach längerem Ringen und zugleich Zureden gelang. Dann aber rappelte ich mich schleunigst auf und rief: 'Rasch in die Sonne! Kommt!' Und nachdem ich sie mit mehr oder weniger sanfter Gewalt zum Aufstehen genötigt hatte, schnappte ich mir meine Umhängetasche und beide Säcke, warf meinen Lieben ihre Täschchen um und schob sie praktisch auf die andere Talseite hinüber in die Morgensonne, und sie waren noch so ungeschickt, daß sie beide auf dieser kurzen Strecke gleich ein paarmal stürzten, zum Glück ohne schlimmere Folgen, abgesehen davon, daß Lydias Hose unter dem rechten Knie so ein entzückendes kleines Loch abbekam, das mit dem alten Loch in ihrem linken Westenärmel wunderbar harmonierte.
    An dem Plätzchen in der Sonne angekommen, ließen sie sich dann sofort auf den Boden fallen, obwohl der dort wieder genauso steinig war wie in diesem Seitental schon gewohnt, weigerten sich strikt, irgendwas zu sich zu nehmen, machten die Augen zu und schliefen in den bereits angenehm wärmenden Sonnenstrahlen offenbar blitzartig ein. Nun, Schlaf hätte ich selbstredend ebenfalls zur Genüge gehabt, aber momentan war der Hunger stärker, und drum öffnete ich den Freßsack, überwand meinen Widerwillen und verschlang einige von diesen ungewohnten Köstlichkeiten; und dazu gedachte ich einige Schluck Eiswasser zu trinken, aber zu meiner Überraschung war das Wasser bei weitem nicht so kalt, wie ich angenommen hatte. Nun, viel war's eh nicht, was ich da zum Frühstück verzehrte, denn sobald der Hunger wieder kleiner geworden war als der Widerwille, beendete ich das Festmahl sofort wieder, ging etwas abseits, um den Dämonen der Wüste die ihnen gebührende Ehre zu erweisen, und stand, nachdem das erledigt war, vor dem Dilemma: soll ich meine zwei Süßen noch eine Zeitlang weiterschlafen lassen, oder soll ich sie gleich aufjagen und zum Weiterhatschen antreiben? Naja, ich bin ja kein Unmensch, dachte ich mir und ließ sie halt in Gottes Namen ein Weilchen schlafen und setzte mich in ihre Nähe, um mir die wärmenden Sonnenstrahlen auf den Bauch scheinen zu lassen. Und weil das im Liegen viel besser ging und ich außerdem sowieso total unausgeschlafen war, legte ich mich alsbald der Länge nach hin und bewunderte das herrlich reine Blau des Himmelsgewölbes, und weil das mit der Zeit anstrengend wurde, machte ich die Augen zu und bewunderte es eben mit meinem sogenannten geistigen Auge und bewunderte bald auch die Schönheit und Lieblichkeit der Ötschergräben, über die es sich spannt, mit ihrem majestätischen Bergwald und ihren blumenreichen Almwiesen und ihren klaren Bächen und schäumenden Wasserfällen und hörte mit meinem geistigen Ohr, falls es das überhaupt gibt, deren Rieseln und Rauschen.
    Und als ich wieder erwachte, da war mein erstes Gefühl: ha, endlich wieder einmal angenehm warm! Mein zweites: jö, mein Kopfweh ist besser! Mein drittes: Gott sei Dank, jetzt hab' ich endlich gut geschlafen! Und dann gesellte sich zu diesen Gefühlen noch das Gefühl, tatsächlich das Rieseln und Rauschen von Bächen und Wasserfällen gehört zu haben, und ich konnte mich nicht genug darüber wundern. Was machen eigentlich meine zwei Süßen? Ich schlage die Augen auf und schaue mich um: ah, Myriam sitzt da in der Nähe, und ihr Gesicht hat überhaupt keine Farbe, und ihre Augen starren ins Leere, und ich wage sie gar nicht anzusprechen. Und Lydia? Ich kann sie im Moment nicht sehen, aber gleich darauf höre ich hinter mir Schritte, und ich wende mich um und sehe Lydia daherkommen, und sie ist im Gesicht genauso weiß wie Myriam, und sie wirkt ebenfalls nicht übertrieben glücklich. Wie spät ist es denn eigentlich? Was, schon fast halb zehn? Na, höchste Zeit, sich wieder in Bewegung zu setzen! Wer weiß, wie lang wir noch zu marschieren haben! Auf eine zweite derartige Nacht im Freien kann ich liebend gern verzichten!
    Ich sprang auf - und das fiel mir schon wieder erstaunlich leicht - und rief mit forcierter Fröhlichkeit: 'Ja, guten Morgen! Ausgeschlafen? Frisch und munter?'
    Als Antwort bekam ich ein zweistimmiges, praktisch unartikuliertes und reichlich mürrisch klingendes Brummen.
    'O ja', sagte ich, 'danke der Nachfrage - ich bin momentan ganz gut ausgeschlafen und fühle mich erstaunlich frisch und munter. Habt ihr schon gefrühstückt?'
    Meine Süßen schüttelten als Antwort nur den Kopf und brummten nicht

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