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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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dunkelhaarigen Jüngling im Schlepptau - na, bei näherem Zusehen entpuppte er sich als gar nicht mehr so jung, wahrscheinlich ungefähr unser Alter -, und jetzt redete sie aufgeregt auf ihn ein, und übrigens die anderen Fahrgäste auch, oder jedenfalls viele von ihnen. Und er schien gar nichts zu sagen, sondern nur starr zu uns her zu schauen und drohende Blicke wie Pfeile gegen uns zu schleudern. Sodann wandte er sich abrupt von unserem Anblick ab und dem Herrn Chauffeur zu und begann nun seinerseits wild gestikulierend und, soweit ich das aus der Entfernung an den Bewegungen seiner Lippen und an der ganzen Mimik ablesen konnte, wie ein Wasserfall auf ihn einzureden; und daraus kombinierte ich, daß es sich um einen arabischen Wasserfall handeln mußte, und daraus wieder, daß er der einheimische Reiseleiter war. Wie der Herr Chauffeur darauf reagierte, kann ich leider nicht sagen, denn der war jetzt durch die anderen verdeckt, und aufgestanden ist er nicht.
    Wahrscheinlich hätte der ägyptische Reiseleiter gern gehabt, daß er, also der Chauffeur, aufsteht, zu uns zurückkommt und uns entweder aus dem Bus jagt oder eigenhändig hinausbefördert. Nachdem er aber damit, wie's aussah, keinen Erfolg hatte, drehte er sich wieder um und begann zwischen den noch immer aufgeregt durcheinanderschreienden Fahrgästen auf uns zuzugehen, und sein Gesicht nahm mit jedem Schritt ein ungnädigeres und bedrohlicheres Aussehen an. Die Rothaarige und Sommersprossige kam hinter ihm nachgetrippelt, und die Blicke sämtlicher Fahrgäste folgten den beiden. Und dann waren sie vor uns, das heißt konkret: vor mir, angelangt, und das Geschrei der anderen verstummte mit einem Schlag, und der ägyptische Reiseleiter bezog vor uns Aufstellung, stemmte die Arme in die Hüften, rümpfte, sichtlich angeekelt, die Nase, bekam ein hochrotes Gesicht und begann auf einmal mit uns und vor allem mit mir zu brüllen, daß die Fetzen flogen. Ich verstand anfänglich nicht ein Wort und fragte mich schon, was denn das für eine komische Sprache sei. Arabisch war's garantiert nicht, und Deutsch war's auch nicht, und Englisch ...? Ja doch, Englisch schien es zu sein; und jetzt verstand ich auf einmal das eine und das andere Wort. Na, war schließlich auch egal; was er wollte, war mir sowieso klar. Was ich wollte, war mir aber auch klar: hier sitzen bleiben und mich und meine zwei Süßen unter keinen Umständen vertreiben lassen. Übertrieben angenehm war die Situation zwar nicht - schon für mich nicht; wie mußte das erst an den Nerven meiner zwei Süßen in ihrem angeschlagenen Zustand zerren! Und während sich Myriam die ganze Zeit auffallend ruhig verhielt und keinen Mucks von sich gab, platzte der Lydia auf einmal der Kragen, und sie rief mißmutig zu mir herüber: 'Fix noch einmal, jetzt reicht's aber! Komm, verschwinden wir von hier!'
    Na, da war ich aber dagegen, und ich rief zurück: 'Kommt nicht in Frage! Wir bleiben hier! Da kann dieser blöde Affe brüllen, soviel er will!'
    Da war mit einemmal Funkstille. Nanu? Ich wandte mich nach dem blöden Affen um und sah, daß er mich mit einem unbeschreiblichen Ausdruck anstierte und daß sein Gesicht noch röter geworden war. Und dann begann er von neuem zu brüllen, und jetzt brüllte er auf einmal deutsch, und es war sogar auf Anhieb als Deutsch zu erkennen. 'Ah, Sie sind Deutsche?' brüllte er. 'Das hätte ich mir gleich denken können!' Und dann regte er sich erst einmal mordsmäßig über die Beleidigung auf und klärte uns des weiteren freundlicherweise auf, wie schändlich das von uns sei, uns einfach in einen fremden Bus zu setzen, noch dazu in einem derart ungepflegten, ja, heruntergekommenen Zustand, und belehrte uns ausführlich, aus welchen gewichtigen Gründen es vollkommen ausgeschlossen sei, daß wir hier sitzen bleiben und mitfahren können.
    Während ich andächtig seinen hochinteressanten Ausführungen lauschte, fiel Myriam, ohne einen Laut von sich zu geben, mit einemmal in Ohnmacht, und Lydia kreischte laut, und ich sah auch gleich, wieso: Myriam war auf sie draufgefallen und hatte sich Gesicht, Haare und Bluse ganz blutig gemacht. Ja, was machen wir da nur mit ihr? Am besten vielleicht so liegen lassen, bis sie wieder von selber zu sich kommt? Der Blöde Affe, das registrierte ich gerade hoch im Unterbewußtsein, hatte seine Ausführungen abrupt unterbrochen oder beendet. Und dann schrak ich plötzlich zusammen, denn inmitten des tödlichen Schweigens, das jetzt im ganzen Bus

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