Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
einhellig den Kopf.
    Und in diesem Augenblick explodierte er wirklich. Er begann nicht nur zu brüllen, wie er wahrscheinlich sein Lebtag noch nicht gebrüllt hatte, sondern führte sich in einer unbeschreiblichen Art und Weise auf. Ich achtete aber überhaupt nicht auf ihn und sein Getue, denn jetzt war schlagartig eine entsetzliche Nervosität über mich gekommen und eine noch entsetzlichere Befürchtung. Ich konnte meine Brieftasche nicht und nicht finden. Aber sie mußte doch irgendwo sein! Sie konnte doch nicht ...! In meiner wachsenden Verzweiflung begann ich die Tasche auszuräumen. Und was lag in ihr zuoberst? Richtig: das Schießeisen. Also zog ich als allererstes das Schießeisen heraus. Aber kaum hatte ich das getan, als der Blöde Affe absolut hysterisch wurde und sich wie ein Verrückter zu gebärden begann. Außerdem suchte er Hals über Kopf das Weite, das heißt, er verkrümelte sich, so schnell es ging, nach vorne, was nicht ohne mehrmaliges Stolpern abging, versetzte dabei mit seiner Raserei den ganzen Bus in helle Aufregung und fiel schließlich buchstäblich über den Chauffeur her. Dieser bremste und hielt an, erhob sich gemächlich und kam, ohne mit der Wimper zu zucken, auf uns zugestapft, gefolgt von dem immer noch tobenden Blöden Affen und begleitet vom Gejohle der Fahrgäste. Vor mir angelangt, beäugte er wortlos meine inzwischen angewachsene Ansammlung von verschiedensten Utensilien aus meiner Tasche inklusive Schießeisen, während der Blöde Affe aufgeregt auf ihn einredete und dabei pausenlos auf letzteres deutete. Aber dann mußte er doch einmal eine Verschnaufpause machen; ich glaube, er war dem Erstickungstod nahe.
    Und jetzt redete auf einmal Myriam. Sie redete leise und mit schwacher Stimme, und sie redete arabisch. Sie redete schätzungsweise eine halbe Minute lang und verstummte dann wieder ebenso plötzlich, wie sie zu reden begonnen hatte. Der Herr Chauffeur hatte ihr mit großen Augen aufmerksam zugehört und starrte sie anschließend noch eine Zeitlang an; hierauf wandte er den Kopf und starrte einige Sekunden Lydia an; und schließlich wandte er wieder den Kopf und starrte mich an - aber irgendwie gar nicht unfreundlich - und klopfte mir zuletzt ein paarmal fest auf die Schulter. Dann drehte er sich um und deutete dem Blöden Affen wortlos, nach vorne auf seinen Platz zu verschwinden. Dieser hatte sich inzwischen schlagartig beruhigt, oder es war ihm ganz einfach die Spucke weggeblieben, und zwar seit dem Zeitpunkt, wo sich Myriam zu Wort gemeldet hatte, war auffallend blaß geworden und gaffte sie jetzt erschrocken und mit einem wirklich saublöden Gesichtsausdruck an. Wie ihm nun der Chauffeur deutete, sich auf seinen Platz zu begeben und gefälligst die Schnauze zu halten, drehte er sich augenblicklich um und zog lammfromm und ohne Widerrede ab. Der Chauffeur stapfte hinter ihm nach, klemmte sich ohne weitere Umstände hinters Lenkrad, gab hörbar Gas und fuhr weiter.
    Und nun beruhigten sich langsam auch die Fahrgäste, und ihr Geschrei und Gejohle ging mit der Zeit in ein halblautes, monotones Gemurmel über. Der einzige, der sich nicht beruhigen konnte, war ich. Meine Brieftasche! Wo war meine Brieftasche? Jetzt hatte ich meine Tasche restlos ausgeleert und ihren Inhalt auf dem freien Platz neben mir fein säuberlich ausgebreitet, und meine Brieftasche mit der gesamten Reisekasse war nicht darunter! Aber wo zum Teufel hab' ich sie dann angebaut? Nein, das ist ganz und gar ausgeschlossen! Ich kann sie nirgends angebaut haben! Aus meiner Tasche kann nichts herausfallen, und es fehlt ja auch sonst nicht das Geringste! Nein, angebaut hab' ich sie garantiert nicht! Die einzige Erklärung ...
    Wie ein Blitzschlag traf mich die plötzliche Erkenntnis, und mir wurde schlagartig unerträglich heiß, und mein Kopfweh und meine Übelkeit steigerten sich mit einemmal ins Unerträgliche. Die einzige Möglichkeit für ein eventuelles Verschwinden meiner Brieftasche aus meiner Umhängetasche hatte sich in der vorletzten Nacht ergeben, als wir alle drei vor Erschöpfung in einem bleiernen Schlaf lagen und uns währenddessen die drei Schweine besuchen kamen, um uns aus eigenem Antrieb, ohne dazu extra beauftragt worden zu sein, gute Sachen zu bringen, und sich dafür von uns etwas Dankbarkeit erwarteten. Offenbar hatten sie schon geahnt, daß ich ihnen ein Schießeisen und ein Messer abknöpfen würde, und sich diese Kostbarkeiten zu einem stolzen Preis bezahlen lassen, indem sie sich

Weitere Kostenlose Bücher