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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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nach Ägypten. Er schien sich aufrichtig zu freuen, mich heil und relativ unbeschädigt wiederzusehen, und berichtete mir in aller Ausführlichkeit, wie's dem Rest meiner Gruppe nach unserer Entführung ergangen war. Er hielt auch nicht mit dem Lob hinterm Berg, das mir der Großteil der Gruppe gespendet habe. Leider habe es aber über meine Führung auch massive Klagen gegeben. Zwar sei er das schon zur Genüge gewohnt; Klagen müsse er sich praktisch nach jeder Reise über jeden Reiseleiter anhören, und er wisse sehr genau, daß man's als Reiseleiter nicht jedem recht machen könne. Aber diesmal laufe der Großteil der Klagen darauf hinaus, daß ich gröblichst gegen die christlichen Moralgesetze verstoßen hätte. Das störe ihn persönlich zwar nicht im geringsten, solange nur der Reiseleiter seine Arbeit gut mache, aber er hoffe halt, diese Klagen kommen nicht dem Bischof zu Ohren. Gerade unser Bischof sei ja in solchen Dingen besonders heikel.
    Naja. Ganz klar, daß ich diese Gelegenheit nutzte, um mich mit noch jemandem in St. Pölten zu treffen. Ich besuchte meine liebe Lydia zwar nicht bei ihr zu Hause - dahin hatte sie sich, als ich sie anrief, nicht getraut mich einzuladen -, sondern wir hatten uns einen Treffpunkt in der Nähe des bischöflichen Ordinariats ausgemacht; in diesem ist nämlich das Katholische Bildungswerk untergebracht. Wir fuhren dann in ihrem Auto aus der Stadt hinaus, und sie wußte ein einsames Waldwegerl, wo ... ja, wo wir nicht nur spazierengingen und Händchen hielten, sondern, um der Wahrheit die Ehre zu geben, unsere Liebe erneuerten und sie sozusagen feierlich von Ägypten nach Österreich übertrugen. Wir fanden nur übereinstimmend, daß ein altägyptisches Grab für unsere Zwecke bedeutend geeigneter ist als ein neuzeitliches Auto. Trotzdem, trotz aller Beengtheit und Unbequemlichkeit und trotz aller Behinderung durch den lästigen Kopfverband, den sie immer noch tragen mußte, auch wenn's ein neuer war, herrschte damals zwischen ihr und mir einige wunderschöne Augenblicke lang vollkommenes Glück, und Lydia strahlte, wie ich sie bis dahin noch nie hatte strahlen sehen.
    Irgendwann haben mich dann die Fernsehheinis tatsächlich aufgespürt, und nach ihnen tauchten die Zeitungsheinis auf, und sie alle brachten mich nicht nur mit und ohne Ehefrau ins Bild, sondern traten vor allem unsere Geschichte breit - die Geschichte von Myriam, Lydia und mir. Und von nun an ging's Schlag auf Schlag. Erster Schlag: Hannes rief mich an und forderte mich mit deutlich hörbarem Groll in der Stimme auf, ihn bei ehester Gelegenheit aufzusuchen. Das tat ich, und was, glaubt ihr, hatte er mir mitzuteilen? Daß mich zu seinem allergrößten Bedauern das Katholische Bildungswerk in Hinkunft nicht mehr als Reiseleiter beschäftigen könne. Man müsse sich auf höhere Anweisung von mir trennen - im Klartext: der Bischof habe gegen mich seinen Bannstrahl geschleudert. Das Befürchtete sei eingetreten: man habe mich beim Bischof verpfiffen, und der fühle sich jetzt offenbar bemüßigt, diesen moralischen Augiasstall auszumisten.
    Wie ich das hörte, ärgerte ich mich natürlich im ersten Moment fürchterlich, vor allem, weil ich die dahinterstehende Geisteshaltung zutiefst verabscheue. Überdies konnte ich mir leicht denken, wer mich da verpfiffen hatte; er hatte es ja oft genug angekündigt. Und ausgerechnet so einer, mit so einem Charakter ... Also, wie gesagt, im ersten Moment ärgerte ich mich fürchterlich; und das war wohl auch die Absicht dieses netten Zeitgenossen gewesen. Aber dann beruhigte ich mich relativ rasch und sagte mir, höchste Zeit, daß ich von diesem Verein wegkomme, in dem Scheinheiligkeit, Heuchelei und Niedertracht den Ton angeben; es gibt genügend Reisebüros, die mich mit Handkuß nehmen werden. Worum's mir wirklich leid tat, das waren der Hannes und seine Mitarbeiterin Vera, die für den ganzen bei der Organisation anfallenden Kleinkram zuständig ist. Die zwei sind nämlich ausgesprochen nett und hatten mich bisher ausnahmslos anständig behandelt. Auch jetzt, wo er mir diese bittere Pille zu schlucken gab, tat er das ohne persönlichen Vorwurf und mit echtem Bedauern.
    Naja, da schluckte ich halt erst einmal die bittere Pille, und sobald ich mit dem Schlucken fertig war, räusperte ich mich eine Zeitlang verlegen und fragte dann, wie denn nun die Anschuldigungen konkret lauteten.
    'Aber ich bitte dich', erwiderte Hannes und kicherte verstohlen, 'du wirst doch selbst am

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