Geliebte Myriam, geliebte Lydia
zufrieden sein, wenn du mich einfach nicht ganz vergißt, hie und da anrufst - denn ich werde dich ja nicht anrufen können - und mich manchmal besuchen kommst - denn ich werde dich ja nicht besuchen können! Merk dir das!'
'Nein', rief ich im Brustton der Überzeugung aus, 'so anspruchslos bin ich aber nicht! Ich möcht' regelmäßig deine Stimme hören und dich oft sehen! Anders würde ich's nie aushalten! Aber ...' Ich verstummte, denn mir war soeben was eingefallen, was mich zögern ließ und nachdenklich machte.
'Ja?' sagte sie zärtlich und aufmunternd.
'Sag ... Hast du nicht einmal erwähnt, daß du mit deinem Freund zusammenlebst? Wie kann ich dich da anrufen oder gar besuchen kommen?'
Da spürte ich richtig, wie sie erschreckt zusammenfuhr; sie löste sich aus meiner Umarmung, machte ein ganz bestürztes und zugleich nachdenkliches Gesicht. Offenbar hatte sie überhaupt nicht mehr an das von ihr selber so genannte Bratkartoffelverhältnis mit ihrem Dauerfreund gedacht. Schließlich räusperte sie sich, nahm eine wild entschlossene Miene an und sagte: 'Das soll das geringste Hindernis sein! Ruf nur an, wann immer es dir paßt!'
'Wirklich?'
'Ja, wirklich! Ich werde schon irgendeine Lösung finden!'
'Du meinst, du wirst mit ihm Schluß machen?'
'Schluß machen oder nicht Schluß machen - aber eins weiß ich sicher: auf dich werd' ich seinetwegen nicht verzichten! ... Ja, höchstwahrscheinlich werde ich mit ihm Schluß machen.'
'So lieb hast du mich?'
'So lieb hab' ich dich!' Und damit fiel sie mir von neuem um den Hals und verharrte so lange in dieser Stellung, bis sie die Stewardessen von mir wegscheuchten, indem sie das Bordmenü servierten.“
2. Teil
Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz
(MATTHÄUS)
Giggerle verstummt plötzlich reichlich betroffen, greift sich an die Stirn, blickt hierauf schmunzelnd seine Zuhörer an und fragt: „Kein Ordnungsruf?“
„Du meinst, weil du schon wieder deinen schönen Vorsätzen untreu geworden bist?“ ruft die Henne.
'Ja, eben!'
'Ach, mach dir nichts draus! Wir sind ja nicht so, gelt, Johnny? Wir sind ja geduldige Zuhörer!“
„Zu gütig! Aber so ist das eben mit mir! Betrachtet es halt als Nachtrag! Schließlich waren unsere ägyptischen Ferien noch gar nicht richtig zu Ende; wir waren ja noch nicht daheim. Das sollte sich jetzt aber sehr schnell ändern. Denn nur wenige Stunden später war unsere Maschine in Wien-Schwechat gelandet, und jetzt blieb uns nur mehr eine Galgenfrist bis St. Pölten. Dort mußte Lydia aus dem Zug steigen, und ich fuhr, einsam und verlassen, noch eine Station weiter bis Melk.
So, jetzt war ich also wieder zu Hause, und es war zunächst auch wirklich alles eitel Wonne und Sonnenschein - in der Familie, in der Schule und im Katholischen Bildungswerk; am wenigsten vielleicht noch in der Familie. Meine Frau empfing mich, als ich so unerwartet vor der Tür stand - ich hatte natürlich überhaupt nicht daran gedacht, vom Flughafen aus oder auch vom Westbahnhof aus anzurufen - also, meine Frau empfing mich auffallend kühl - keineswegs unfreundlich oder so, aber eben kühl - und sie verhielt sich genauso, als ob ich nicht eben vom Thebanischen Gebirge, sondern, sagen wir, vom Skifahren am Ötscher zurückgekommen wäre, so daß ich mich schon fragte, ob sie irgendwas überlauert haben könnte. Andererseits waren ihre Begrüßungen schon immer so gewesen, egal, ob ich heimkam oder sie heimkam. Ich erinnere mich, wie sie einmal, als ich sie noch nicht so gut kannte, direkt ungehalten wurde, als ich sie vom Zug abholte und sie zur Begrüßung küssen wollte. Umgekehrt bestand sie jedesmal auf einem Kuß zum Abschied. Komisch, was? Als ob ihr unsere Trennung Freude und unsere Wiedervereinigung Mißvergnügen bereitet hätte!
In der Schule war hingegen wirklich alles eitel Wonne, und ich wurde von Kollegen und Schülern freudig begrüßt, und alle berichteten sie mir stolz, was sie nicht schon alles aus Zeitung, Radio und Fernsehen über meinen 'Fall', wie sie's nannten, erfahren hatten, und alle bedrängten sie mich, ihnen alles bis ins letzte Detail zu erzählen; vielleicht bin ich drum jetzt auch bei euch derart ausführlich geworden. Obwohl - so ausführlich hat's bis jetzt noch niemand zu hören bekommen, das kann ich euch versichern - bei weitem nicht!
Ähnlich war die Situation im Katholischen Bildungswerk St. Pölten, genauer gesagt: bei Hannes, dem Reisereferenten und eigentlichen Organisator unserer Reise
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