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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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hört mich an und hat Mitleid mit mir und verspricht mir alles. Und den Anfang unserer Liebe bahnten Küsse und Berührungen und zahlreiche von mir vergossene Tränen. Schließlich aber ergriffen wir eine Gelegenheit beim Schopf und schafften es, miteinander allein zu sein; unsere Jugend war, so schien es, den anderen unverdächtig. Oh, wie war ich damals glücklich! Und noch glücklicher machte es mich zu sehen, wie ich Hyperanthes glücklich machte. Ich fühlte mich grenzenlos glücklich, so daß ich schon zu befürchten begann, die Götter könnten, wie man zu sagen pflegt, auf mein Glück neidisch werden. Und wir waren lange Zeit zusammen und liebten uns wahnsinnig, bis daß irgendein Dämon auf uns böse wurde.
    Da kommt aus Byzantion - Byzantion liegt nahe Perinthos - ein Mann aus der dortigen High-Society, der sich auf seinen Reichtum und seinen Besitz viel zugute tut und Aristomachos heißt. Dieser ist kaum in Perinthos gelandet, als wäre er von irgendeinem Gott gegen mich ausgesandt worden, da sieht er auch schon Hyperanthes an meiner Seite und ist sogleich Feuer und Flamme, da er die Schönheit des Jünglings bewundert - diese vermochte allerdings jedermann in ihren Bann zu schlagen. Und nachdem er sich erst einmal verliebt hatte, war er in seiner Leidenschaft nicht mehr zu bremsen, sondern schickte dem Jüngling anfänglich eine Botschaft nach der anderen. Sowie er aber erkannte, daß es ihm unmöglich war, ihn zu verführen - Hyperanthes ließ nämlich wegen seiner Zuneigung zu mir niemanden an sich heran -, gelang es ihm, seinen Vater, einen Menschen von schlechtem Charakter und unglaublicher Geldgier, um den Finger zu wickeln, und der überließ ihm Hyperanthes unter dem Vorwand der Ausbildung; er hatte sich nämlich als Fachmann der Redekunst ausgegeben. Er übernahm ihn und hielt ihn anfänglich eingesperrt und von der Außenwelt vollkommen abgesondert, und dann verschleppte er ihn nach Byzantion.
    Kannst du dir vorstellen, o Habrokomes, wie mir da zumute war? Ich war völlig außer mir vor Schmerz und Verzweiflung. Tag und Nacht schlich ich um das Haus, das Aristomachos in Perinthos gemietet hatte, herum in der Hoffnung, wenigstens einen Blick von meinem Licht und Leben erhaschen zu können. Doch es nützte alles nichts. Ich sah Hyperanthes erst wieder, als Aristomachos ihn auf ein Schiff brachte, um ihn nach Byzantion zu verschleppen. Da zögerte ich keinen Augenblick und folgte ihm aufs Schiff; da galten mir alle meine Angehörigen nichts. In Byzantion angekommen, wurde Hyperanthes nicht mehr so rigoros eingesperrt; offenbar fühlte sich sein angeblicher Lehrer seiner dort sicherer als in Perinthos. Und so gelang es Hyperanthes nun doch, mich zu treffen, und ich war mit ihm zusammen, sooft es möglich war. Es war jedoch nur selten möglich: ab und zu ein Kuß und ein paar Worte unter vielen Schwierigkeiten - ich wurde von zu vielen Augen beobachtet.
    Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und stachelte mich in meiner Verzweiflung dazu an, etwas zu unternehmen. Ich kehrte nach Perinthos zurück, verkaufte meinen gesamten Besitz, soviel ich eben hatte, kassierte das Geld und fuhr damit wieder nach Byzantion. Dort bewaffnete ich mich mit einem Dolch und drang im Einverständnis mit Hyperanthes in das Haus des Aristomachos ein. Wundere dich übrigens nicht, daß ich das schaffte, ohne von den Hausbewohnern entdeckt zu werden! Ich war nämlich immer schon ein ziemlich unerschrockener und, wenn du willst, bedenkenloser Mensch, und du kennst sicher das Sprichwort: Dem Tapferen hilft das Glück. Außerdem hatte mir Hyperanthes den Weg bis ins letzte Detail beschrieben: ich mußte zuerst eine Gartenmauer übersteigen - aber für einen im Gymnasion trainierten jungen Mann war das naturgemäß überhaupt keine Affäre -, dann den dahinter liegenden Garten durchqueren und von diesem aus in das eigentliche Haus eindringen; daß die Türen, die ich öffnen mußte, unabgesperrt geblieben waren und daß obendrein vor ihnen mit Wasser gefüllte Becher standen, um damit die Türangeln befeuchten zu können und das Quietschen der Türen zu vermeiden, dafür hatte Hyperanthes selbst gesorgt. Zur Sicherheit hatten wir eine mondlose Nacht ausgesucht, in der mir allein die Myriaden Sterne den Weg weisen würden, und überdies hatte ich mich barfuß auf den Weg gemacht, um jegliches Geräusch zu vermeiden.
    Ich finde Aristomachos neben dem Knaben liegend. Er schläft tief und fest, während der Knabe hellwach ist und

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