Geliebte Myriam, geliebte Lydia
erklären.
Als wir dann zum Parkplatz zurückkamen, wo außer unserem schon ein paar andere Busse standen, empfing uns ein Riesenhallo: ein ganze Horde dunkelhäutiger, nachthemd-, nein: galabejatragender Gestalten mit blitzenden Zähnen stürzte sich auf uns und bemühte sich mit der erstaunlichsten Hartnäckigkeit, die man sich nur vorstellen kann, uns alles mögliche Graffelwerk aufzuschwatzen wie zum Beispiel Postkarten, Leiberln - oder heute sagt man dazu, glaub' ich: T-Shirts - mit aufgenähten heiligen Krokodilen, kleine Pharaonenbüsten, Obelisken, Sphinxe (oder Sphingen), Papyrus-Schmuckbilder, Glasperlenketten, und so weiter. Da mir dieser Rummel mit der Zeit langweilig wurde, machte ich's wie Myriam, die ein Stückchen abseits getreten war und gedankenverloren die Aussicht betrachtete. Ich trat neben sie, scheute mich aber, sie anzuquatschen, und begann ebenfalls die Aussicht zu betrachten oder vielmehr zu bewundern; denn man überblickte von diesem erhöhten Standplatz aus wunderbar das gesamte Niltal, und dieses stellte sich als ein einziges Gewoge tiefgrüner Palmkronen dar, unterbrochen von dem breiten, in der Sonne funkelnden Band des Nils und den schmäleren, aber ebenso funkelnden Bändern der Bewässerungskanäle. Hinter diesem Gewoge der Palmkronen erhoben sich genauso unvermittelt wie zu unseren Füßen die Hügel, und hinter diesen die Berge, der sogenannten Arabischen Wüste. Es war ein herrliches Bild. Nur eins störte: gegenüber, genauer: auf der anderen Seite des Palmkronengewoges, lag, etwas erhöht, schon in der Wüste, eine größere Ansiedlung mit irgendwelchen Industrieanlagen, deren Schornsteine fürchterliche Rauchwolken in den blauen Himmel spuckten.
Plötzlich brach Myriam ihr Schweigen und redete mich freundlich an und fragte, ob mir dieses Panorama gefalle. O ja, es gefalle mir wunderbar, antwortete ich, sowas Schönes hätte ich noch nie gesehen, jedenfalls in dieser Art. Nur eins störe die Schönheit des Bildes: die Rauchwolken aus den Fabriken gegenüber. Was sei denn das für ein Ort? Da wurde Myriams Miene mit einem Schlag ernst oder träumerisch - das war nicht zu unterscheiden -, und dann erklärte sie, die kleine Stadt gegenüber mit der vielen Industrie heiße Heluan und sei eigentlich ein berühmter Kurort mit heilkräftigen Thermalquellen; aber ich hätte recht: diese Ansammlung von Industrie mit ihren Rauchwolken beeinträchtige die Schönheit der Landschaft beträchtlich. Und damit verfiel sie erneut in ihr merkwürdiges Schweigen und starrte nachdenklich zu diesem Industrie- und Kurort namens Heluan hinüber und machte dabei ein Gesicht, als ob sie entweder irgendwelchen Erinnerungen nachhinge oder aber irgendwelche Vorahnungen hätte.
2. Teil
Love's Labour's Lost
(SHAKESPEARE)
Doch plötzlich gab sie sich einen Ruck, schaute auf die Uhr und stellte sachlich fest, es sei Zeit, einzusteigen und zum nächsten Besichtigungspunkt zu fahren. Sie nickte mir aufmunternd zu, drehte sich um und begann, unsere Leute in den Bus hineinzutreiben. Aber das war gar nicht so einfach, weil gerade mehrere äußerst lebhafte Verkaufsverhandlungen im Gange waren. Während wir also noch auf deren Beendigung warteten, wandte sich Machmut, der bisher mit einigen seiner Kollegen zusammengestanden war und angeregt geplaudert hatte, auf einmal mir zu und begann auf mich einzureden - arabisch wohlgemerkt. Nach einiger Zeit merkte ich aber, daß er immer wieder dieselben Worte wiederholte und dabei immer wieder mit dem nackten Finger auf mich zeigte und übers ganze Gesicht lachte. Anscheinend wollte er, daß ich ihm irgendwas nachsage, und da hörte ich genauer hin und begann seine Worte, jedes extra, zu wiederholen. Ich hab' sie mir gut gemerkt; sie lauten: 'ána ... bádrab ... áschara'. Sobald ich sie richtig herausgebracht hatte, brach er in wieherndes Gelächter aus und lachte sich schief und krumm. Dann rief er seine Kollegen herbei und ließ mich unter seiner Anleitung noch einmal sagen: 'ána ... bádrab ... áschara'. Und jetzt brüllten sie alle vor Lachen und hielten sich richtig den Bauch dabei. Na, die sind aber leicht zu unterhalten, dachte ich bei mir und lachte, wenn auch etwas verlegen, mit; Lachen ist ja bekanntlich ansteckend. Zum Abschluß klopfte mir Machmut noch kräftig auf die Schulter und klemmte sich anschließend hinters Lenkrad. Denn inzwischen waren die Verkaufsverhandlungen zu einem offensichtlich erfolgreichen Ende gebracht worden, und wir konnten
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