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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Pyramiden, wie aufgefädelt schön nebeneinander, dahinter die Wüste, und im Vordergrund als Kontrast das tiefgrüne Fruchtland mit braunen Lehmziegelhäusern, einem kleinen weißen Minarett, Palmen, Gemüsebeeten, Getreidefeldern, dunkelhäutigen Landarbeitern, übrigens schon wieder im Nachthemd und dazu mit einer weißen Mütze, offenbar einer Nachtmütze, auf dem Kopf; und mir kam schön langsam der Verdacht, daß das möglicherweise doch keine Nachthemden sind, sondern einfach die Landestracht, und jetzt hatte ich wenigstens einen Grund, mich an unsere charmante Führerin, die mich so bezaubert und zugleich verwirrt hatte, heranzumachen und sie diskret nach den wirklichen oder vermeintlichen Nachthemden zu befragen.
    'Oh, jene langen Kleider der Männer meinst du?' erwiderte sie. 'Nein, nein, das sind keine Nachthemden, sie sehen nur so aus. Das ist die gewöhnliche Kleidung der ägyptischen Bauern und Arbeiter. Sie heißt auf arabisch Galabeja. Du wirst sie noch oft genug sehen!' Und dazu lächelte sie wieder bezaubernd und, so kam mir vor, verheißungsvoll.
    Naja. Sobald nun die Fotografen fertigfotografiert und die Filmer fertiggefilmt und die, die einfach nur schauten - das gibt's nämlich auch! - fertiggeschaut hatten, stiegen wieder alle ein, und unser braver Machmut gab wieder Gas. Machmut gab Gas, und ich gab mir einen Ruck und bemühte mich von nun an ernstlich zuzuhören, was Myriam, unsere so bezaubernde und zugleich verwirrende neue Führerin, erzählte. Sie erzählte von der Kultur und Religion der alten Ägypter und den Formen ihrer Grabstätten und der Entwicklung der Pyramide aus dem sogenannten Mastaba-Grab. Und dann sagte sie was sehr Interessantes: daß nämlich aus dem alten Ägypten fast ausschließlich Gräber und Tempel erhalten seien. Dies deshalb, weil offenbar nur die Toten und die Götter für würdig befunden worden seien, Bauten aus unvergänglichem Material, sprich Stein, zu erhalten; die Lebenden, also auch die Pharaonen, hätten sich mit Bauten aus vergänglichem Material begnügt, demselben nämlich, das heute noch hauptsächlich für die Bauten auf dem Land verwendet werde: ungebrannten Lehmziegeln. Und ein solcher Lehmziegelbau zerfalle nach relativ kurzer Zeit und verwandle sich wieder in sein Ausgangsmaterial, einfachen Lehm, zurück. Deshalb sei von den Siedlungen der alten Ägypter leider fast nichts erhalten geblieben, auch nicht von Memphis, der Hauptstadt des Alten Reiches, nicht einmal von den Königspalästen. Dafür seien in der Wüste Tausende von Gräbern erhalten, und diese seien alle sorgfältig aus Stein, das heißt, für die Ewigkeit, gebaut, und die monumentalsten und zugleich außergewöhnlichsten unter ihnen seien eben die Pyramiden. Dies zeige mit genügender Deutlichkeit, welchen Wert die alten Ägypter auf das Leben nach dem Tod gelegt haben. Und daraus erkläre sich auch die bekannte Sitte der Mumifizierung der Toten.
    Ja, und noch manches andere erzählte Myriam, und es war eine Freude, ihr zuzuhören, denn was sie erzählte, hatte alles Hand und Fuß, und daß sie eine überaus angenehme Stimme hatte und fast fehlerfreies Deutsch sprach, nur eben mit norddeutschem Akzent, hab' ich ja schon erwähnt. Und für mich war's außerdem noch eine Freude, ihr zuzuschauen ... Aber das hab' ich, wenn mich nicht alles täuscht, auch schon erwähnt.
    Da - was ist jetzt los? Sie verstummt plötzlich, dreht sich auf ihrem Sitz um, wirft mir mit ihren großen, dunklen, ausdrucksvollen Pharaonenaugen einen Blick zu, unter dem ich fast dahinschmelze, und streckt mir das Mikrophon entgegen. Ah - ein Angebot? Na, solche Angebote von seiten schöner Frauen sollte man nie ausschlagen! Also springe ich auf, beuge mich zu ihr vor und frage sie, ob ich was sagen soll. O ja, ich soll! Aber so plötzlich? Ich bin ja ganz durcheinander, aufgeregt wie vor meinem ersten Rendezvous. Ich erbitte mir kurze Bedenkzeit, krame in meinen Unterlagen, finde, was ich suche, und ... Ja, soll ich mich jetzt tatsächlich neben Myriam auf den Reiseleitersitz setzen? Doch, doch, unbedingt! Und sie rückt zur Seite und lädt mich mit einer ihrer unnachahmlichen Gesten ein, es mir neben ihr bequem zu machen, und dabei lächelt sie mich wieder direkt verführerisch an. Ich zögere; dann nehme ich die Einladung an und setze mich zu ihr. Und als erstes wird mein Bewußtsein vollkommen von ihrer körperlichen Nähe ausgefüllt, und ich spüre ihren Körper ja ganz deutlich. Aber dann denke ich an die

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