Geliebte Nanny
Wahrscheinlich hat er nur wieder eine harmlose Bronchitis. Also entschuldige dich gefälligst dafür, mich eine Rabenmutter genannt zu haben. Hast du verstanden, Arndt? … Arndt!? ARNDT!?...Scheiße!«
Eine Sekunde später höre ich ein lautes Scheppern. Ups, ich glaube das war ihr Smartphone.
So ist das also. Arndt hat Klodia endlich ordentlich den Marsch geblasen und ihr die unverblümte Meinung bezüglich ihres mütterlichen Pflichtbewusstseins gesagt, nachdem er ja von David telefonisch erfahren hat, wie schlecht es dem Kleinen geht. Aber Klodia ist sich wieder mal keiner Schuld bewusst. Stattdessen ist sie stinkig auf David und mich!? Und auf Arndt sowieso. Dabei bin ich mir sicher, dass er nicht wegen einer anderen in München geblieben ist. Vielmehr macht er nun endlich Nägel mit Köpfen und stellt seiner Ehefrau ein Ultimatum. Wann kapiert sie endlich, dass sie zu weit gegangen ist?
Ich koche vor Wut. Ich bin drauf und dran, ins Büro zu stürmen und Klodia mit ihrem seidenen Armani - Schal zu würgen. Ich atme einmal durch und klopfe energisch an die Tür. Noch bevor Klodia ein grimmiges »Ich will nicht gestört werden« ruft, trete ich ein und schreite beherzt auf sie zu.
»Was soll das, Melek? Haben Sie nicht verstanden. Ich will nicht gestört werden«, schnauzt sie in meine Richtung. Ich lasse ihr Gezeter unbeachtet und nähere mich ihrem Schreibtisch. Ihr BlackBerry liegt zertrümmert auf dem Parkettboden. Den neuen Klingelton kann sie sich ja nun sparen.
Sie zieht ein Gesicht, als hätte sie plötzlich fürchterliche Zahnschmerzen. Das macht mir Angst. Ich werde nie vergessen, wie meine Mutter meinem Vater unter höllischen Zahnschmerzen ein blaues Auge verpasst hat, weil er versuchte sie mit Witzen aufzuheitern, die sie unter diesen Umständen ganz und gar nicht komisch fand.
In Gedanken trichtere ich mir ein, mich unbedingt zusammenzureißen. Bloß keine Unsicherheit zeigen. Noch ein fester Schritt. Dann bleibe ich stehen und funkle sie mit meinen Kohleaugen an. Klodia zeigt sich unbeeindruckt und setzt zum Sprechen an: »Jetzt hören Sie mal zu, Sie unverschämte –« Weiter kommt sie nicht.
»NEIN! Sie hören mir jetzt mal zu, KLODIA «, donnere ich los. »Sie sind wirklich das Letzte und ich bin froh, dass Arndt jetzt endlich etwas unternimmt, damit Sie zur Vernunft kommen!« Ich hole tief Luft. Bin ich eigentlich lebensmüde? Egal, jetzt ist es sowieso zu spät. Also weiter im Text: »Ich hoffe, dass Arndt nicht zu Ihnen zurückkehrt, solange Sie sich nicht ändern und endlich ihren mütterlichen Pflichten nachkommen. Sie haben die Kinder zur Welt gebracht Klodia, keine Nanny oder sonst jemand. SIE! Sie müssen sie doch lieben. Ihre Kinder brauchen Ihre Zuneigung! Spüren Sie denn innerlich nichts!? Ihr Baby lag für zwei Nächte, allein in einem Krankenhausbett, aber Sie hielten es nicht für nötig, ihm beizustehen. Was sind Sie bloß für ein kaltherziges Wesen?« Meine Stimme überschlägt sich und klingt so schrill, dass es mir selbst einen Schrecken versetzt.
Klodia blickt mit riesigen Augen in mein wutverzerrtes Gesicht. Ihre Mimik lässt keine ausdrückliche Gemütsbewegung durchsickern. Für Sekunden herrscht Stille im Raum. Nur meine cholerischen Atemgeräusche sind unüberhörbar.
»Was fällt Ihnen ein?! Verschwinden Sie! Gehen Sie mir aus den Augen...RAUS!« Ihr Schreien klingt heiser, verfehlt aber keineswegs seine Wirkung. Panik ergreift mich. Wie besessen stürze ich aus ihrem Büro und knalle die Tür zu. Erst vor meiner Zimmertür komme ich atemlos zum Halten. Ich kralle mich an der Türklinke fest und schließe die Augen, um mich zu sammeln.
Heilige Scheiße! Was habe ich da gerade getan? Meinen Job bin ich jetzt wohl los. Und was wird nun aus den Kindern?
Ich ziehe es in Erwägung meine Sachen zu packen und für immer von hier zu verschwinden. Aber ich kann nicht. Ich kann Gerald nicht sich selbst überlassen. Ich bezweifle immer noch, dass Klodia sich an sein Bett setzen, geschweige denn die Nacht in seinem Kinderzimmer, auf einer Matratze verbringen würde. Aber ich, ich werde es tun! Morgen sehen wir weiter.
***
Unruhig liege ich auf der schmalen Matratze neben Geralds Gitterbettchen. Mannomann, diese Nacht nimmt kein Ende. Dreimal habe ich jetzt schon die abendliche »Büroszene mit Klodia« geträumt. Und jedes Mal war es noch ein bisschen schlimmer.
Einmal war Gerald aufgewacht, so gegen halb drei. Sein Schlafanzug war durchgeschwitzt und
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