Geliebte Nanny
Standes gehört. »Giulia wird vor Neid erblassen, wenn sie meinen neuen Bikini sieht.«
Arndt verdreht die Augen. Er wirkt genervt. Aber Klodia vernachlässigt die Reaktion ihres Mannes einfach. Ihre gute Laune von vorhin kehrt langsam zurück.
Ich knabbere ärgerlich an meinem Marmeladenbrötchen. Mir ist der Appetit vergangen. Ausgerechnet Giulia! Mir reicht es schon, wenn ich ihre dämliche aufgedonnerte Visage nachher im Krabbelclub ertragen muss. Die Poolparty morgen kann ja nur ein Reinfall werden.
Nach dem Frühstück weist Klodia mich an, sie ins Büro zu begleiten. Mit Gerald auf dem Arm folge ich ihrem Kommando. Ich bin etwas verblüfft darüber, dass Klodia nicht annäherungsweise auf die Idee kommt, ihren Sohn selbst zu tragen. Sie macht auf mich nicht gerade den Eindruck, als litte sie an einer Krankheit, die ihr das Lastentragen verbietet. Vielmehr gehe ich persönlich davon aus, dass sie sich um ihre teuer manikürten Nägel sorgt, die abbrechen könnten, wenn sie das quirlige Kind auf den Arm nimmt. Mal im Ernst, was ist das denn für eine Mutter, die sich nicht einmal ein paar Minuten Zeit für ihre Kinder nimmt?
Meine gute Menschenkenntnis lässt mich selten im Stich (bei Sören war die rosarote Brille daran schuld). Ich habe zwar erst gestern hier angefangen, doch so langsam erschließt sich mir das grobe Strickmuster dieser Klodia.
Wir betreten ihr Büro und sie schwafelt ununterbrochen von einer Modenschau, die sie letztes Wochenende besucht hat; und bei der zum Auftakt ein Supermodel als Ehrengast in Erscheinung getreten war, dessen exotischer Name auszusprechen zuvor einem Besuch beim Logopäden bedarf. Ich täusche brennendes Interesse an diesem Thema vor. In Wahrheit bin ich jedoch genervt davon, dass sie nicht einmal bemerkt, dass Gerald unruhig auf meinem Arm hin und her wippt, weil er zu seiner Mutter will. Ich setze ihn ab. Er rennt sofort los und klammert sich an Klodias Bein. Sie tätschelt ihm flüchtig den Kopf, als würde es sich bei Gerald um einen kleinen Hund handeln. Ich merke, dass es ihr lästig ist, wie er an ihr herumzerrt. »Ist ja gut«, sagt sie und wendet sich von ihm ab. Dann holt sie drei glänzende Einkaufstaschen unter ihrem Schreibtisch hervor. Zwei von Chanel. Die dritte ist goldfarben mit einem merkwürdig geschwungenen, schwarzen Schriftzug.
Eifrig zieht sie etwas aus der ersten Chaneltüte und ignoriert dabei ihren Sohn, der noch immer an ihrem Bein klebt.
»Das ist er. Gerade aus Paris eingetroffen. Der goldene Mini - Monokini von Chanel, den ich Giulia vor der Nase weggeschnappt habe«, sagt sie mit unverkennbar gehässigem Unterton. Mir scheint, Klodia kann Giulia auch nicht besonders gut leiden. Dann sind wir ja schon zu zweit.
Stolz präsentiert sie mir das knappe goldene Nylonfähnchen, an dem ich weder vorn noch hinten erkennen kann. Für mich sieht es eher aus wie ein Badeanzug, der versehentlich durch einen Reißwolf gezogen wurde. Wenn sie sich traut das anzuziehen, ist sie definitiv mutig.
»Giulia hat überhaupt nicht die Figur dafür«, lästert Klodia weiter.
Ich frage mich, warum sie mich hierher bestellt hat. Doch nicht etwa, um Giulias offensichtliches Magersuchtproblem auszudiskutieren.
Gerald hat es mittlerweile aufgegeben. Seine Mutter erbarmt sich nicht, ihn auf den Arm zu nehmen. Stattdessen zieht sie aus einer anderen Tüte einen marineblauen Bikini nebst passendem Pareo aus hauchzarter Seide. Ihre Augen glitzern vor Verzückung.
»Was sagen Sie dazu, Mel?«
»Oh, sehr schick «, erwidere ich unsicher, dass es fast schon wie eine Frage klingt. Diese Marotte stellt sich immer dann bei mir ein, wenn ich eigentlich nicht genau weiß, was man von mir hören möchte, ich aber hartnäckig darum bedacht bin, trotzdem die richtige Antwort zu geben.
»Das dachte ich mir«, stöhnt Klodia . »Jetzt bin ich keinen Schritt weiter. Aber ich glaube ich weiß, was ich mache.«
Ich nehme an, dass sie es mir gleich verrät, denn im Augenblick verstehe ich nur Bahnhof.
»Ich werde einfach zuerst den goldenen tragen und nach den Hors d’oevres zum marineblauen wechseln. Was halten Sie davon Melek?«, babbelt sie begeistert weiter, als gäbe es nichts Wichtigeres, als die triviale Zentralfrage ihrer Poolparty - Badegarnitur zu klären.
»Ja, wie Sie meinen«, sage ich reflexartig. Normalerweise ist es nicht meine Art, den Leuten nach dem Mund zu reden, so was tue ich nur, um einen schnellen Themenwechsel herbeizuführen.
Sie
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