Geliebte Nanny
glühen.
» Lass dich nicht unterkriegen Mel«, rede ich mir gut zu.
»Du bist ja ziemlich spät, Melek«, kritisiert Giulia mich sofort.
»Wir wollten gerade beten«, informiert mich die Gruppenleiterin, Dörte. Ich setzte mich auf einen freien Platz im Stuhlkreis.
»Wie wär’s, wenn sie heute das Begrüßungsgebet spricht?«, schlägt Giulia der Runde vor. Sie blitzt mich gehässig an. Das soll wohl die Rache für meine türkische Begrüßung sein. Von mir aus.
Die anderen (bis auf Sarita) stimmen kritiklos zu und warten begierig darauf, was Giulia als Nächstes vorhat. Diese Weiber sind schlimmer als Lemminge.
»Kein Problem!«, sage ich mit einem blasierten Unterton in der Stimme.
»Na, dann legen Sie mal los.« Dörte klingt skeptisch.
Ich fange mit dem Kreuzzeichen an. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen...«
Seelenruhig falte ich meine Hände zum Gebet. Gerald sitzt auf meinem Schoß. Verdutzte Blicke verfolgen meine Handbewegungen. Anscheinend haben sie angenommen, ich würde unverzüglich in Flammen aufgehen, sobald ich diese christlichen Worte ausgesprochen habe, die ja gerade zu häretisch auf meinen islamischen Glauben wirken müssen.
Von wegen intolerant.
Fehlerfrei und pseudo - demutsvoll spreche ich das Begrüßungsgebet. Als ich es beendet habe, blicke ich selbstherrlich in sprachlose Gesichter.
Ha! 1:0 für mich.
»Soll ich vielleicht noch das morgendliche Begrüßungslied vorsingen?«, frage ich mit scheinheiliger Miene. » Ein schönes Lied. Gefällt mir ehrlich gut. Tolle Tonfolge!«
In dem Moment ertönt eine merkwürdige orientalische Melodie. Hört sich ja fast an wie…dieser Popsong von Tarkan, der vor Jahren mal in den Charts war. Alle gucken sich irritiert um. Offenbar rechnen sie damit, dass jeden Augenblick eine Bauchtanzgruppe zur Clubtür hereinmarschiert. Dann begegnet mir Giulias analysierendes Augenpaar, das stetig an mir herunter wandert und in Höhe meiner Rocktasche stagniert. Keine Sekunde später starrt der gesamte Krabbelclub dorthin.
Scheiße! Ist das etwa mein Handy?
Alarmiert greife ich in meine Tasche. Tatsächlich!
Mein Mobiltelefon gibt dieses türkische Gedudel von sich. Prompt haften wieder zig Augenpaare auf mir. Und die sehen alles Andere als vergnügt aus. Ich schiele auf’s Display. Yasemin ruft an.
Diese verrückte Nudel muss bei ihrer präzisen Vorbereitung, für meinen mustergültigen Auftritt als Türkin Melek, auch meinen Handyklingelton manipuliert haben. Vielen Dank auch, Yasi.
Einen Moment lang bin ich regungslos. Ich frage mich, ob ich dran gehen sollte und werfe einen kurzen Blick in die Gesichter der anderen. Okay, ich lass’ es lieber. Nicht, dass sie gleich allesamt in Flammen aufgehen, vor lauter Empörung über die unverschämte Störung. Ich drücke Yasi weg und stopfe das Handy zurück in die Rocktasche.
»Oh, tut mir wahnsinnig leid«, entschuldige ich mich.
Mist, jetzt herrscht wohl wieder Gleichstand.
»Können wir endlich weitermachen?« Giulia wirft einen affektierten Blick auf ihre Armbanduhr. Dörte beginnt sogleich auf ihrer Gitarre zu spielen. So energisch und gottbegnadet wie heute, habe ich mit Sicherheit noch nie › Laudato si, o mio signore, laudato si, o mio signore, laudato si, o mio signore sei gepriesen…‹ gesungen.
Die anderen lauschen meinem Gesang. Ich glaube, sie warten nur darauf, dass ich irgendetwas Falsches singe, wofür sie mich wahrscheinlich am liebsten in die ewige Verdammnis verbannen würden. Sarita lächelt mir anerkennend zu, worauf sie unverzüglich Giulias vernichtenden Blick erntet. Nachdem wir die Gebets - und Gesangseinlagen endlich beendet haben, setzen die Muttis ihre Kinder auf dem Teppich ab und überlassen sie sich selbst. Einige fangen an zu plärren. Ein Knirps im Gucci - Strampler krabbelt achtlos über eine am Boden liegende, offene Tube mit grüner Acrylfarbe. Was für eine Sauerei!
Sofort bildet sich um Giulia herum eine Traube aus gackernden Weibern. Die Gesprächsthemen reichen vom Preis des neuen Drittwagens der Schwägerin, über den letzten Schrei aus Paris, Mailand und New York, bis hin zu Claudias Schickimicki - Poolparty morgen Abend.
Die Frau mit dem asiatischen Touch setzt sich neben mich. Ihre zweijährige Tochter Mae rollt Gerald einen Ball zu. Sarita ist schlicht gekleidet und prahlt nicht mit überdimensionalen Logos auf ihren Kleidungsstücken, im Gegensatz zu den anderen aufgetakelten Modetussis.
»Das
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