Geliebte Nanny
meinst du das denn jetzt?« Ihre Stimme hebt sich beunruhigend.
»Äh…ich behaupte ja nicht, dass du immer sofort mit jedem in die Kiste hüpfst. Aber du solltest Männern zuerst die Chance geben, dich und deine inneren Werte richtig kennenzulernen, bevor ihr Körperflüssigkeiten austauscht. Und andersrum natürlich auch«, schlage ich ihr in einem sehr behutsamen Tonfall vor; froh darüber, ihr in diesem Moment nicht leibhaftig gegenüberzustehen, denn hin und wieder neigt Yasemin zu unkontrollierbaren Überreaktionen, besonders wenn man sie kritisiert. Dabei kritisiere ich ja nicht sie als Ganzes, sondern nur ein spezielles Verhaltensmuster von ihr. Ich meine es doch eigentlich nur gut.
»Bitte!? Ich hör wohl nicht richtig!«, keift meine hochexplosive Freundin. Reflexartig strecke ich das Handy von meinem Ohr weg. »Deine Verkleidung färbt anscheinend schon auf deine Persönlichkeit ab. Oder warum laberst du plötzlich so einen subversiven Müll? Ich sagte doch, ich habe mit Sicherheit nichts falsch gemacht bei Cengiz. Soll er doch von mir aus die Katze im Sack heiraten.«
»Wie du meinst, Yasemin!«, bemerke ich unbeeindruckt. Mir steht nicht der Kopf nach hitzigen Diskussionen, bei denen sie sowieso die Oberhand gewinnen und mich kaum zu Wort kommen lassen würde. »Du, ich muss jetzt ein Auge auf die Kinder werfen. Ich rufe dich später wieder an. Bis dann.« Mit diesen Worten beende ich das Telefonat, stecke mein Handy ein und widme mich wieder meinem »Basilikumdrink«.
***
Ich gebe unbestreitbar zu, ich habe eine Bikinifigur. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich gerne im Bikini präsentiere. Weder am Strand noch in irgendwelchen öffentlichen Badeanstalten. Erfahrungsgemäß liegt das an den Männern, die mich permanent angaffen, als wäre ich ein sehr sehr teurer und sehr sehr schneller Sportwagen in limitierter Sonderedition – oder das letzte Einhorn.
So was ist mir unangenehm. Darüber hinaus ist es auch nicht gerade schmeichelhaft für die Begleiterinnen dieser Männer, die sich neben mir vorkommen müssen, wie eine Citroen - Ente. Nicht selten, dass ich ganze Tage in ein riesiges Badetuch gehüllt, am mallorquinischen Strand verbracht habe, um nicht ständig von ausschweifenden Männerblicken verfolgt oder von hämischen Damenblicken durchbohrt zu werden. Ich wäre trotzdem nie im Leben auf die Idee gekommen, mir einen Burkini zu kaufen.
Klodia ist eine komische Person. Ob sie wirklich Erfolg hat, mit ihrer Strategie, sämtliche attraktive Frauen von Arndt fernzuhalten, damit er nicht fremdgeht? Bei der Poolparty heute Abend werden bekanntlich auch Frauen anwesend sein. Frauen in Bikinis, wohlgemerkt. Von ihren spießigen Freundinnen kann Klodia jedenfalls unmöglich verlangen, sich ebenfalls mit derart unvorteilhafter islamischer Bademode zu verunzieren. Oder will sie ihrem Ehemann vielleicht die Augen verbinden?
Ich nehme meinen Burkini in Augenschein und probiere ihn kurze Zeit später an. Ich sehe fürchterlich darin aus. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt sachgemäß angezogen habe. Und wie man darin schwimmen soll, ist wahrscheinlich auch eine Wissenschaft für sich. Atomkerne spalten ist bestimmt einfacher.
Heute bleibt es mir Gott sei Dank erspart, mich mit den blöden Hühnern im Krabbelclub herumzuschlagen. Der findet nämlich nur zweimal in der Woche statt und jeden dritten Samstag im Monat. Stattdessen mache ich mit Gerald einen Stadtbummel. Die Busfahrt dauert nicht lange und an diesem Vormittag bleiben wir zum Glück von Pöbeleien verschont. Ich muss noch einige Besorgungen machen. Meine Zahnpasta und mein Deodorant gehen bald zur Neige. Außerdem brauche ich dringend luftigere Klamotten.
Beim gewohnten Betrachten meines Spiegelbilds in den Schaufensterscheiben, sinkt meine Einkaufslaune auf den Nullpunkt – besser, ich schaue mir die anderen Leute an. Kaum zu glauben, dass ich es tatsächlich wage, in diesem Aufzug in der Öffentlichkeit herumzulaufen, noch dazu mitten in der Düsseldorfer Innenstadt. In meine Gedanken versunken, schiebe ich Gerald vor mir her. Er ist ein lieber kleiner Kerl. Er babbelt vor sich hin und ab und zu meine ich, ihn »Mel« sagen zu hören. Mit einem Mal bemerke ich einen Widerstand und im selben Moment höre ich eine mir wohl bekannte Stimme fluchen: »Verdammte Scheiße, pass doch auf du dumme Nuss!«
Wie gelähmt starre ich den sportlichen, blonden Kerl an, den ich mit meinem Gefährt beinahe
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