Geliebte Nanny
Runde.
»Merhaba Melek!«, begrüßt die gesamte Gruppe mich im Chor. Sie lächeln. Aber das Verwirrende daran ist, dass es echt ist. Nicht so ein aufgesetztes Klodia - Lächeln. Nein, sie lächeln mich herzlich an. Ich bin völlig perplex. Da meldet sich Gerald zu Wort, den ich die ganze Zeit auf meiner rechten Hüfte balanciere.
»Mel...unta...«, murmelt er, was soviel wie Mel lass mich runter bedeutet. Ich setze ihn ab. Mit seinen kurzen Beinchen wackelt er in Richtung Sandkasten, in dem Sonjas kleine Tochter Camille mit einer Schaufel tiefe Löcher buddelt.
»Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns!«, fordert Sonja mich auf und prostet mir zu. Sarita setzt sich neben mich, nachdem sie Mae im Sandkasten abgeladen hat.
Nach kurzer Zeit lässt meine innere Anspannung schließlich nach. Zurück bleibt ein triumphierendes Gefühl; eine Mischung aus Erfolg und Optimismus. Kaum zu fassen, wie die Dinge sich entwickelt haben. Mit einem Mal gebührt mir die erhoffte Anerkennung von gerade den bornierten Leuten, die mich noch vor kurzem wie eine Aussätzige behandelt haben. Plötzlich werde ich als Melek von ihnen akzeptiert und mit Respekt behandelt. Zufrieden lehne ich mich in dem bequemen Gartensessel zurück.
Was für ein restlos schöner Tag! Okay…, bis auf die Tatsache, dass mein Körper unter meiner Schönwetter - feindlichen Montur vor sich hinbrutzelt, wie Omas Sonntagsbraten im gusseisernen Schmortopf, während die anderen Frauen mit ihren luftdurchlässigen Sommerkleidern, ihre unbedeckten Extremitäten der Sonne entgegenstrecken. Wie braungebrannt die alle sind. Da kann man richtig neidisch werden. Des Weiteren beneide ich die anderen um die kulinarischen Leckerbissen, die weiträumig an mir vorbei gereicht werden. Wirklich sehr aufmerksam, dass man bei diesem Picknick strikt darauf achtet, dass mir ja kein Schweinefleisch auf den Teller kommt. Ich begnüge mich notgedrungen mit Thunfischsalat und Oliven. Ich hasse Oliven. Dabei läuft mir das Wasser im Mund zusammen, beim Anblick der hübsch angerichteten Schinken - Spargelröllchen oder des in hauchdünne Scheiben geschnittenen, kalten Schweinekrustenbratens. Dass sie sich überhaupt trauen so was zu essen. Die meisten von Ihnen erwecken eher den Eindruck, als wären sie Veganerinnen. Aber möglicherweise haben sie auch ein Gemeinschafts - Abo für eine monatliche Fettabsaugung.
Alkoholisches wird mir auch nicht serviert. Natürlich aus reiner Rücksicht. Es ist ja allgemein bekannt, dass wir keinen Alkohol trinken dürfen. Die hätten Yasemin mal an meinem 18. Geburtstag erleben sollen. Und an ihrem erst. Während die Damen sich munter mit Schampus beglücken und alle fünf Minuten auf mich anstoßen, nippe ich an einer zuckerfreien Fruchtschorle. Auch noch Ananas. Dagegen bin ich allergisch.
Nach dem Essen beginnen die Frauen damit, mich mit Fragen zu bombardieren. Es erfordert meine höchste Konzentration, nicht aus Versehen etwas Falsches zu sagen, was mich gewissermaßen entlarven könnte. Da zahlt es sich nun doch aus, Fruchtschorle anstelle von Champagner getrunken zu haben.
Warum zum Geier entwickeln die auf einmal so ein ausgiebiges Interesse an mir? Da steigt die Anspannung direkt von Neuem in mir auf.
»Sind Sie verheiratet?«, fragt Carolin.
Ich verneine die Frage in der Hoffnung, dass sie nicht weiter darauf eingeht.
»Ich habe mal gehört, dass muslimische Frauen das Kopftuch abnehmen dürfen, wenn sie sich ausschließlich in weiblicher Gesellschaft befinden«, äußert Mona und wartet gespannt auf meine Reaktion. Meine Herzfrequenz schießt in besorgniserregende Höhen, als sie mir kurz darauf die Totschlag - Frage stellt: »Dürfen Sie das auch?«
Und nun? Ich überlege fieberhaft. Ich weiß nur, dass ich unter keinen Umständen dieses Kopftuch abnehmen werde. Immerhin würde jeder normalintelligente Mensch sofort den Verdacht schöpfen, dass ich gar keine echte Türkin bin. Denn ich bin ja unbestritten ein auffällig nordischer Typ. Nie und nimmer gehe ich ohne dieses Kopftuch als Türkin durch, nicht einmal, wenn ich behaupten würde, ich käme aus einem Gebiet im äußersten Norden der Türkei. Wahrscheinlich würden sie mich allesamt skeptisch anglotzen und fragen, seit wann denn die Türkei in Skandinavien läge.
»Nein, ausgeschlossen!«, platzt es aus mir heraus.
In Windeseile sauge ich mir einen obskuren Kommentar über eine gewisse Sonderregelung aus den Fingern, die angeblich besagt, dass ich das Kopftuch
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