Geliebte Nanny
nehmen und mit den Kindern zur Kinderarztpraxis in die Stadt zu fahren. Hm, besser ein Taxi, das ist nicht so umständlich und geht schneller. Am besten wäre natürlich, einfach den Service von Klodias Chauffeur in Anspruch zu nehmen. Ich beschließe, sie darauf anzusprechen, bevor sie sich aus dem Staub macht, um ihrem Ehemann in München hinterher zu spionieren. Es geht hier schließlich um ihr Kind. Klodia wird ganz sicher nicht, ohne sich von den Kindern zu verabschieden, einfach verschwinden. Nein. Also das traue ich ihr nun wirklich nicht zu. Ein Funken von Mutterinstinkt muss doch auch in ihr vorhanden sein.
Da Gerald den ganzen Vormittag schläft, habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Das tu’ ich sowieso viel zu oft. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, nicht nachzudenken. Über Gott und die Welt. Dieses und jenes. Wobei so Manches beileibe keinen Gedanken wert ist.
Im Augenblick widmete ich meine überflüssigen Gedanken Yasi. Was war denn mit der los? Ist sie wirklich eifersüchtig auf mich, weil Schmalzlocke ein kleines bisschen von Melek geschwärmt hat? Der Typ ist mir doch so was von egal. Schon allein seine verbohrten Ansichten, lösen bei mir sensationelle Animositäten gegen ihn aus, dass ich ihm das Maul am liebsten mit meinem Kopftuch stopfen würde, damit er künftig nicht mehr solchen frauenabwertenden Stumpfsinn von sich gibt.
Yasi wäre sicherlich meiner Meinung, hätte sie letztens Cengiz’ Beitrag zu unserem Tischgespräch mitbekommen. Vielleicht sollte ich ihr davon erzählen. Es stimmt schon, diese Sache mit Cengiz ist ein bisschen dumm gelaufen. Aber ich habe mich ja selbst in diese Zwickmühle reingeritten. Einerseits gebe ich mit meiner verhüllenden Kleidung und dem Kopftuch vor, genau die Art demutsvolle Frau zu sein, die sich nicht integriert und die jemand wie Cengiz zum Aufpeppen seines Egos benötigt. Andererseits ergibt das überhaupt keinen Sinn, da ich prinzipiell für die Emanzipation bin. Na ja, Yasi wird sich schon wieder beruhigen. Also, Themawechsel. Zielgedanken auf die nächste Person lenken, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Sören, diese Klette. Den muss ich unbedingt loswerden, habe aber noch keinen Plan, wie ich das anstellen soll.
Dafür weiß ich aber umso besser, wie ich mich künftig bei David verhalten werde. Ab jetzt werde ich ihm keinerlei Beachtung mehr schenken, da er ja anscheinend mit Mrs. Möchtegern-Beckham liiert ist. Wenn er meint. Nun kann ich wenigstens meine volle Konzentration auf meine »Problemkandidatin« Klodia lenken. Das heißt, sobald sie von ihrem hirnverbrannten Spionageausflug zurückgekehrt ist. Ich muss mich also noch ein paar Tage gedulden.
Gegen Mittag ist Geralds Temperatur immer noch erhöht. Mir ist klar, dass Klodia in weniger als drei Stunden zum Flughafen muss. Und mit Sicherheit ist sie wieder in größter Zeitnot; dennoch fasse ich den Entschluss sie aufzusuchen. Mit dem wimmernden Gerald auf dem Arm betrete ich ihr Büro. Die Tür steht offen. Klodia begutachtet gerade ihre Wände. Prüfend hält sie einen rosa Pappstreifen an die Tapete hinter ihrem Schreibtisch.
»Oh, Melek, sagen Sie, wie finden Sie dieses Altrosa zu den neuen weißen Möbeln? «
»Ähm...ganz nett!«, gebe ich reflexartig zurück. »Weshalb ich Sie eigentlich aufsuche, gnädige Frau«, setze ich sofort nach, »Ich muss Pauline von der Ballettprobe abholen, ich bin ein bisschen spät dran. Könnte ich Gerald vielleicht kurz bei Ihnen lassen? Es regnet gerade so heftig und außerdem hat er Fieber. Ich befürchte, es würde ihm nicht gut tun, ihn bei diesem Wetter mitzunehmen.«
»Also wirklich, Melek!« Klodias scharfer Blick lässt mich nichts Gutes ahnen. »Das ist doch wohl Ihr Problem. Sie sind die Nanny! Ich habe zu tun. Die Innenausstatterin kommt jeden Moment und ich habe sowieso nicht allzu viel Zeit für sie. Was soll ich da noch mit dem Klotz am Bein? Das bisschen Regen bringt ihn schon nicht um. Immerhin sind es fast zwanzig Grad draußen.« Mit diesen Worten lässt sie uns links liegen und wendet sich wieder ihren Farbkarten zu. Ich bin einfach nur sprachlos über ihre Kälte.
Am Abend geht es Gerald schlecht. Ich nehme ihn mit in mein breites Himmelbett und messe stündlich Fieber. Ich hoffe, dass der Paracetamolsaft, den ich glücklicherweise im Apothekenschrank gefunden habe, anfängt zu wirken. Ich hätte ihn heute Mittag auf keinen Fall mit zum Kindergarten nehmen dürfen. Das schlechte Wetter und die Tatsache, dass
Weitere Kostenlose Bücher