Geliebte Nanny
Ausschnitt ihres Gesichts freilässt und Schultern und Hals komplett verdeckt. Wie ich ihn kenne, denkt er sicher, ich sei die Putzfrau. Was für ein Idiot.
Ich gehe unauffällig meines Weges.
Als ich mit Pauline zurückkehre, steht Sören noch immer in seiner Parklücke. Wir verschwinden hinter den hohen Mauern, die das Grundstück abschirmen, und ich bin mir ziemlich sicher, er hat immer noch nicht gecheckt, dass ich es bin. Vermutlich wurde er früher des Öfteren von der Putzfrau vom Kindergarten abgeholt, sodass es ihm nicht weiter unorthodox erscheint.
Ich betrete die Eingangshalle. Urplötzlich höre ich Motorgeräusche von draußen und kurz darauf Stimmen, die mir auf Anhieb ein mulmiges Gefühl im Bauch bereiten. Ich spähe durch die Türscheibe und erkenne Giulias Aston Martin. Ob ihr Ex - Mann die Nobelkarosse wohl demnächst von ihr zurückverlangt? Die bloße Vorstellung, wie sie künftig, womöglich mit einem Renault - Twingo, durch die Gegend gurkt, löst erneut Schadenfreude in mir aus.
Giulia und David stehen neben dem Edelschlitten und unterhalten sich. Dabei entgehen mir längst nicht Giulias eindeutige Annäherungsversuche und ihr überspanntes Lachen, das sie nach jedem Satz, den David beendet, erschallen lässt. Das nervt vielleicht!
Soooo weit ist es also schon mit den beiden, dass er sie mit nach Hause bringt?
Ich gebe zu, ich unterdrücke ein leichtes Gespür von Eifersucht.
Mir doch egal, rede ich mir schleunigst ein. Doch meine unstillbare Neugier verbietet mir, meinen Blick von den beiden abzuwenden. Sie bewegen sich in Richtung Eingangstür. Ich verfolge sie gebannt. Ehe ich mich versehe, hat David die Tür geöffnet und sie stehen unmittelbar vor mir. Dicht nebeneinander, fröhlich grinsend, in ihr Gespräch vertieft. Höchstwahrscheinlich plaudern sie schon über ihre gemeinsame Hochzeitsreise. Wenn die mal nicht in die Hölle geht – für David jedenfalls. Nicht zum Aushalten, diese harmonische Stimmung zwischen den beiden!
Jetzt bemerken sie endlich, dass sie nicht allein sind. Erschrocken stockt Giulia mitten im Satz. David ist ebenfalls überrascht mich zu sehen. Ich verharre noch immer reglos neben der Eingangstür.
Giulia kräuselt ihre Himmelfahrtsnase.
»Na, wen haben wir denn da?« Mit ihrer snobistischen Haltung schaut sie von oben auf mich herab. »Wenn das nicht die anatolische Kinderfrau ist.«
Moment! Ich habe nie erwähnt, dass ich aus Anatolien komme. Jedenfalls nicht in Giulias Gegenwart. Nur David weiß darüber Bescheid. Haben die beiden etwa über mich geredet!? Ist ja unerhört! Reicht ihr Gesprächsstoff etwa nicht aus, dass diese blasierte Kuh sich über mich auslassen muss? Ausgerechnet bei David.
»In erster Linie bin ich die Nanny«, weise ich sie in derbem Ton zurecht. »Wo ich herkomme, spielt dabei gar keine Rolle, solange ich meine Arbeit gut mache. Oder wie sehen Sie das, David?«
»Tja, ähm...«, zaudert er.
Giulia funkelt mich giftig an. Dass ich David da mit reingezogen habe, passt ihr nicht im Geringsten. David blickt unschlüssig zwischen Giulia und mir hin und her. Er räuspert sich: »Ja, sie hat Recht, sie ist eine ausgesprochen kompetente Nanny. Man merkt gar nicht, dass sie…äh…Ausländerin ist.«
»Außer an ihrer ungewöhnlichen Verpackung natürlich!«, wirft Giulia persiflierenderweise ein und rümpft zum wiederholten Mal ihre Nase. Davids Gesicht verändert sich. Seine Züge werden hart.
»Das ist ganz schön oberflächlich von dir«, sagt er verbissen. Sehr zu Giulias Missfallen, die daraufhin ein kurzes, brüskiertes Lachen ausstößt. Sie muss innerlich kochen, vor Empörung über seine Bemerkung.
»Wie ich gehört habe, hat Melek sogar einem Kind das Leben gerettet, weil die eigenen Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Respekt!«
Meine Kinnlade landet auf meiner Brust. Kaum zu glauben, David verteidigt mich vor Giulias Unverschämtheiten. Und der reicht es augenscheinlich. Mit einer fuchtigen Bewegung wirft Giulia ihren Kopf in den Nacken. Dabei löst sich ihre Sonnenbrille (die mit Sicherheit schweineteuer war) aus ihrer Edelfrisur und schlägt ziemlich brutal auf dem marmornen Fußboden auf.
»Ooaah, verdammte Scheiße!«, flucht Giulia und springt der Brille hinterher, als wollte sie ihr das Leben retten. Hätte sie sich mal so ins Zeug gelegt, als Klara hilflos im Pool unterging. Mit einem wütenden Zungenschnalzen sammelt sie die in mehrere Teile zerbrochene, einstige Sonnenbrille vom
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