Geliebte Nanny
ihre wasserstoffblonde Kunstmähne und stöhnt. »Name des Kinderarztes und die Versicherungskarte.« Es klingt wie ein Mix aus Überheblichkeit und routinierter Langeweile.
»Dr. Schäfers«, lasse ich sie wissen.
»Na, und die Karte? Geben Sie schon her.« Ungeduldig streckt sie mir ihre grellen Kunstnägel entgegen.
»Ähm…ich…«, bringe ich unsicher hervor. »Daran habe ich in der Eile gar nicht gedacht.«
»Das ist ja mal wieder typisch...ausgerechnet in meiner Schicht...!«, mault Lola und verdreht genervt ihre Augen. Dass sie die überhaupt offen halten kann, bei den Zentnern flüssigen Lidschattens. Sie nimmt einen rosa Zettel aus einer Schublade. Ich sehe sie beklommen an, sage aber erstmal nichts. Sie weiß schon was sie tut, denke ich.
Diesmal mischt sich ein bissiger Klang unter ihre übliche Tonart. »Ihr Name...? Seit wann sind Sie in Deutschland und wie lange haben Sie vor zu bleiben?«
Wie bitte? Bin ich hier in der Kindernotfall - Ambulanz oder bei der Einwanderungsbehörde?
»Moment...«, rufe ich. » Ich ...Ich bin doch gar nicht ...«
»Das sagen se alle!«, unterbricht sie mich unlustig. Diese elitäre Person lässt einen praktisch überhaupt nicht zu Wort kommen.
»Weiter im Text«, legt sie gleich darauf wieder los. Sie kritzelt etwas in eine Zeile.
»Keine Krankenversicherung«, murmelt sie gleichzeitig. Dann schaut sie mich an und sagt: »Tja, ohne Krankenversicherung können wir ihren Sohn leider nicht behandeln. Ich ruf’ einen Kollegen aus dem Bereitschaftsdienst an. Der muss die Sachlage erst klären. Dauert aber ’n bisschen!«
Was? Das meint diese nervtötende falsche Blondine doch wohl nicht Ernst. Ich soll mit einem glühend heißen Kind im Arm, darauf warten, dass irgendein verschlafener Bürokrat hier aufkreuzt, während der diensthabende Arzt Gerald jetzt sofort behandeln könnte?!
Und das nur, weil man mich – samt Kind, für eine Ausländerin hält, die womöglich keine Krankenkassenbeiträge zahlt!?
Also, das Prinzip dieses Systems ist meiner Meinung nach dringend überholungsbedürftig.
Ich will Lola gerade gehörig den Marsch blasen (obwohl sie ja eigentlich gar nichts dafür kann), da kommt David mit quietschenden Sohlen um die Ecke gerauscht.
Bei Davids Anblick springt Lolas überdrüssige Miene, beinahe wie auf Knopfdruck, in ein überschwängliches Lächeln um. David stellt sich dicht neben mich und legt seine Hand auf Geralds Stirn. Schlagartig verfliegt Lolas dämliches Grinsen und wird von einem Ausdruck der tiefsten Empörung überschattet. Als sie sich wieder gefangen hat, legt sie argwöhnisch die Stirn in Falten, so als könnte sie es immer noch nicht glauben, dass dieses göttliche Exemplar von einem Mann zu der usseligen Kopftuchträgerin ohne Versicherungskarte gehört.
David merkt, dass etwas nicht stimmt und erkundigt sich besorgt bei mir: »Gibt es ein Problem?«
»Ich habe Geralds Versicherungskarte vergessen und nun müssen wir auf ihren Kollegen aus der Bereitschaft warten«, informiere ich ihn. An seinen Augenbrauen erkenne ich, dass ihn diese Tatsache ärgerlich stimmt.
»Und das kann dauern!«, schiebe ich noch schnell hinterher. Damit ist Davids Zorn entfacht.
»Wie bitte? Sehen Sie nicht, dass der Kleine hohes Fieber hat?«, fährt er Lola an. »Wissen Sie überhaupt, wen Sie hier vor sich haben?«
»Äähhh..., nö - ö!«, bringt sie verdutzt hervor.
»Ich bin David Gideon Konrad Ferdinand von Degenhausen –Teilhaber der von Degenhausener Gold & Silber GmbH, wenn Ihnen das was sagt.« Er fuchtelt mit dem Zeigefinger herum und zeigt auf Lolas übergroße Silber - Ohrringe, die an ihren Ohrläppchen baumeln. Dann belehrt er sie in schwülstigem Ton: »Sämtliche Modeschmuck - Kollektionen in dieser Region, stammen derzeit aus unserer Produktion. Wenn Sie also ihren Job behalten wollen, um sich künftig weiterhin unsere Produkte, aus der untersten Preiskategorie leisten zu können, dann rufen Sie ganz schnell einen diensthabenden Arzt, der den Kleinen jetzt behandeln kann. Sonst rufe ich nämlich ihren Chef an. Habe gerade erst letztes Wochenende mit seinem Sohn Golf gespielt.«
Mir bleibt die Spucke weg. Ich weiß ja, dass David manchmal ein bisschen fies sein kann, aber sooo fies habe ich ihn noch nie erlebt. Und dass er so einen schäbigen Zweit - , Dritt - und Viertnamen trägt, sollte er lieber für sich behalten, denn es besteht die akute Gefahr, deswegen von solchen Typen die Ronnie oder
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