Geliebte Rebellin
braver Vormund den letzten Penny meines Erbes verschleudert hat, habe ich damit begonnen.« Zynische Belustigung leuchtete in Julianas Augen auf. »Damals war ich achtzehn. Sobald das Geld aufgebraucht war, hat er meine Anwesenheit in seinem Haus nicht mehr besonders zu schätzen gewusst«
»Das klingt ganz so, als sei er aus demselben Holz geschnitzt wie mein Stiefvater.« Charlotte legte die Karten wieder hin. »Wissen Sie, Miss Post, ich glaube tatsächlich, dass wir gewisse Gemeinsamkeiten haben.«
»Das bezweifle ich sehr.«
»Auch ich betreibe ein kleines Geschäft, das Damen gewisse Dienste zur Verfügung stellt. Und ich war ebenfalls gezwungen, mir etwas einfallen zu lassen, womit ich Geld verdienen kann, wobei die Gründe Ihren gar nicht einmal so unähnlich sind.« Sie lächelte matt. »Zumindest ist es uns beiden gelungen, dem Los zu entgehen, das Frauen in unserer Situation gewöhnlich ereilt. Keine von uns beiden hat sich als Gouvernante verdingt oder sich gezwungen gesehen, auf die Straße zu gehen.«
»Gehen Sie jetzt, bitte«, flüsterte Juliana. »Sie hätten gar nicht erst zu mir kommen dürfen.«
»Es ist nicht gerade leicht für eine Frau, sich in dieser Welt allein durchzuschlagen, meinen Sie nicht auch?«
Die kleinen Glöckchen, die auf Julianas blutrotes Gewand genäht waren, klingelten misstönend Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. »Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten mich dazu verleiten, Ihnen das zu sagen, was Sie wissen wollen. Ich werde Ihnen gar nichts erzählen.«
»Ich bin durchaus bereit, für die Information, die ich haben möchte, zu bezahlen.«
Juliana stieß ein humorloses Lachen aus. »Sie sind eine Närrin, wenn Sie glauben, es gäbe irgendeine Summe auf Erden, mit der Sie mich dazu bewegen könnten, Ihre Frage zu beantworten.«
»Dann sind Sie dem Menschen also treu ergeben, der Sie dafür engagiert hat, die Rolle der sitzengelassenen Geliebten zu spielen?«
»Ich habe ein Geschäft gemacht. Meinerseits sind die Bedingungen erfüllt. Was jetzt geschieht, geht mich nichts mehr an. Ich muss darauf bestehen, dass Sie unverzüglich mein Haus verlassen.«
Charlotte hielt den Atem an, als sie mit einem Mal begriff. »Sie haben Angst.«
»So ein Unsinn.«
»Vor wem fürchten Sie sich? Vielleicht kann ich Ihnen beistehen.«
»Mir beistehen?« Juliana sah sie ungläubig an. »Sie scheinen nicht die leiseste Ahnung zu haben, wovon Sie reden.«
»Wissen Sie, Miss Post, ich glaube wirklich, unter anderen Umständen hätten wir uns miteinander anfreunden können.«
»Was, um alles in der Welt, bringt Sie dazu, so etwas zu sagen?«
»Ich hätte gedacht, das läge auf der Hand«, sagte Charlotte mit ruhiger Stimme. »Mir drängt sich der Verdacht auf, dass wir beide viele gemeinsame Interessen und identische Sorgen haben. Schicken Sie beispielsweise Rechnungen an Ihre Klientinnen, nachdem der Termin stattgefunden hat, oder verlangen Sie das Geld im voraus, ehe Sie Ihre Dienste leisten?«
Juliana sah sie stirnrunzelnd an. »Ich erwarte, dass man mich dann entschädigt, wenn der jeweilige Termin anberaumt ist. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass Klientinnen die Angewohnheit haben, ihre Außenstände keineswegs zügig zu begleichen, wenn ich ihnen erst hinterher die Rechnung schicke.«
»Dieselbe Lektion habe auch ich gleich zu Beginn meiner Karriere gelernt.«
Juliana zögerte. Ihr Argwohn war nicht zu übersehen. »Womit genau befassen Sie sich eigentlich geschäftlich?«
»Soll das etwa heißen, dass Sie noch nicht einmal dahingehend über mich informiert sind?«
»Ich weiß überhaupt nichts über Sie, abgesehen davon, wo Sie wohnen und dass Sie mit Baxter St. Ives verlobt sind. Man hat mich dafür engagiert, dass ich eine Rolle spiele, und genau das habe ich getan. Damit hätte sich alles von selbst erledigen sollen.
»Ich verstehe. Nun, da wir beide in einem ähnlichen Erwerbszweig tätig sind, macht es mir nichts aus, Ihnen Näheres über meine Geschäfte zu erzählen. Im allgemeinen bemühe ich mich jedoch, die Dinge streng vertraulich zu handhaben.«
Juliana war jetzt trotz ihres sichtlichen Unbehagens neugierig geworden.
»Welche Dienste bieten Sie denn an?«
»Äußerst diskrete Dienste. Damen, die Heiratsanträge erhalten haben, wenden sich manchmal an mich. Ich ziehe Erkundigungen über die Hintergründe des Mannes ein, der Heiratswünsche geäußert hat.«
»Erkundigungen? Das verstehe ich nicht.«
»Ich bemühe mich, eine Bestätigung dafür
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