Geliebte Rebellin
zu, während sie leise die Tür ihres Arbeitszimmers hinter sich schloss »Ich fürchte, meine Haushälterin hat mir Ihren Namen versehentlich vorenthalten.«
»Das liegt daran, dass ich ihr meinen Namen nicht genannt habe.« Die Frau tupfte ihre Augen mit einem feuchten Taschentuch ab. »Ich heiße Juliana Post. Und ich bin hier, weil ich Gerüchte darüber gehört habe, Sie seien mit Mr. Baxter St. Ives verlobt. Ist das wahr?«
Charlotte blieb wie angewurzelt stehen. »Ja, gewiss Warum fragen Sie mich das?«
Juliana begann, in ihr Taschentuch zu schluchzen. »Weil ich seine letzte Geliebte war. Das Kind, das ich austrage, ist von ihm. Es ist sein Bastard. Baxter hat mich ruiniert, Miss Arkendale. Ich finde, Sie sollten zumindest wissen, um was für eine Sorte Mann es sich bei ihm handelt.«
Charlotte starrte Julianas gesenkten Kopf an. »Was soll das heißen?«
»Er hat mir die Ehe versprochen, Miss Arkendale.« Juliana erhob sich. »Er hat gesagt, wir würden heiraten, und hat mich dazu überredet, seine Liebkosungen zu dulden. Aber als er erfahren hat, dass ich schwanger bin, hat er mich sitzenlassen. Ich habe keine Familie. Ich weiß nicht, was aus mir werden soll.«
»Falls das ein Versuch sein sollte, mir Geld abzunehmen. . .«
»Nein, nein, ganz und gar nicht.« Juliana eilte schluchzend zur Tür.
»Miss Post, so warten Sie doch. Ich habe Ihnen einige Fragen zu stellen.«
»Es ist mir unerträglich, darüber zu reden.« Juliana blieb in der Tür stehen. »Ich bin heute nur deshalb zu Ihnen gekommen, weil ich es als meine Pflicht angesehen habe, Sie zu warnen. St. Ives ist nicht nur von Geburt an ein Bastard, sondern auch von seiner Veranlagung her. Ich bin verloren, Miss Arkendale. Aber für Sie ist es noch nicht zu spät, um sich zu retten. Sehen Sie sich vor, oder es wird Ihnen genauso übel ergehen wie mir.«
9
Charlotte hörte, wie die Haustür hinter Juliana Post zufiel. Sie eilte in die Eingangshalle und sah zum Fenster hinaus. Sie kam gerade noch rechtzeitig, um beobachten zu können, wie Juliana mit einer Behendigkeit in eine Mietdroschke stieg, die für eine hochschwangere Frau erstaunlich war.
Charlotte machte augenblicklich kehrt und nahm von einem Haken an der Wand einen Strohhut mit einer breiten Krempe und schlüpfte in den robusten Wollmantel, der daneben hing.
Mrs. Witty kam aus der Küche. Sie trocknete sich die Hände an der schmucken weißen Schürze ab, die sie über ihr Bombassinkleid gebunden hatte, während sie Charlotte finster musterte. »Was ist passiert?«
»Ich werde dieser Frau folgen, die gerade eben aus dem Haus gegangen ist.« Charlotte riss die Haustür auf und sprang die Stufen hinunter. »Ich will sehen, wohin sie fährt.«
»Das ist doch Wahnsinn«, rief Mrs. Witty ihr nach. »Sie ist in einer Kutsche fortgefahren. Sie haben nicht die geringste Chance, zu Fuß mit ihr Schritt zu halten.«
»In diesem Teil der Stadt bewegt sich der Verkehr so stockend voran, dass ich es schaffen sollte, die Kutsche im Auge zu behalten, wenn ich mich eile.« Charlotte drückte sich den Hut auf den Kopf und rannte los.
»Aber es kann sein, dass Sie ihr über eine weite Strecke folgen müssen«, rief Mrs. Witty ihr nach.
Charlotte schenkte ihren Worten keinerlei Beachtung. Etliche Köpfe drehten sich um und beobachteten, wie sie über den Bürgersteig rannte. Sie ignorierte die teils belustigten, teils aber auch missbilligenden Blicke, die ihr galten. Ihr war durchaus klar, dass diejenigen unter den Passanten, die sie bereits kannten, ihr Verhalten als äußerst merkwürdig empfinden würden. Fremde hätten beim Anblick einer Frau, die sich eilig ihren Weg zwischen den Karren der Lieferanten und den Wagen der Bauern bahnte, die um diese Tageszeit die Straßen verstopften, lediglich die Achseln gezuckt
Die schwerfällig dahin rumpelnde Mietdroschke bog am Ende der Straße um die Ecke. Charlotte erkannte, dass sie die Entfernung verringern konnte, die sie von dem Fahrzeug trennte, wenn sie eine Abkürzung durch den Park wählte.
Sie machte kehrt und rannte durch die eisernen Tore am Eingang der kleinen Grünfläche. Sie hielt den Hut auf ihrem Kopf fest, als sie atemlos das gegenüberliegende Tor erreichte.
Mrs. Witty hatte recht gehabt. In diesem Tempo konnte sie nicht lange mithalten. Julianas Kutsche hatte jetzt schon einen Vorsprung.
Mit dem Gefühl wachsender Verzweiflung sah sie sich auf der Straße um. Ein Blumenwagen, der von einem Jugendlichen von etwa fünfzehn
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