Geliebte Suenderin
ihrem Tee und schaute besorgt zu ihrer Schwester, aber Sabrinas Blick war gelassen auf Richards gebeugten Kopf gerichtet.
»Wo unterwegs, Richard?« fragte sie leise.
Richard schaute mit Tränen in den Augen hoch und rief zornig: »Du weißt schon, wo - Bonnie Charlie.«
Mary stieß einen leisen Schrei aus und wollte etwas sagen, aber Sabrina schüttelte den Kopf.
»Und«, sagte Richard herausfordernd, »willst du es nicht abstreiten?«
»Nein, das wäre doch dumm, nicht wahr?« erwiderte Sabrina.
»Ja, das wäre es. Ich bin kein Idiot. Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, was all die Jahre hier vorgeht?« Er schaute über die Schulter und fuhr etwas leiser fort: »Glaubst du, es gefällt mir, daß meine Schwester, als Räuber verkleidet, durch die Landschaft streift? Glaubst du, ich hab’ mich nie gefragt, woher das Geld kommt, mit dem meine Lehrer und das Essen bezahlt werden?«
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, so daß das Geschirr klirrte. »Ich habe die Geschichten nie geglaubt, daß es dir der Anwalt als Rente vom Marquis gibt. Wir sind ihm völlig egal. Ich hätte so gerne geholfen! Aber dir war ich immer zu jung oder zu feige, ein armseliger Milchbubi, der Angst hat, ein Pferd zu reiten, ganz zu schweigen davon, eine Pistole abzufeuern. Was nütze ich dir denn schon?« fragte Richard wütend, sprang auf, warf seinen Stuhl um und stürmte aus dem Zimmer.
Mary und Sabrina blieben sitzen und sahen sich nur an.
»Da haben wir den Salat. Ich hatte keine Ahnung, daß er es weiß und wie er empfindet. Mir scheint, Richard ist hinter unserem Rücken erwachsen geworden. Er war immer schon so ernst, deshalb haben wir nicht gemerkt, wie reif er geworden ist.«
»Ich geh’ zu ihm«, sagte Mary. »Ich hasse es, wenn er so voller Selbstzweifel ist. Er ist immer noch ein kleiner Junge, auch wenn er so erwachsen tut. Er sollte sich nicht grämen, weil er nicht reitet.«
»Nein, ich glaube, wir sollten ihn in Ruhe lassen - zumindest für den Augenblick«, riet ihr Sabrina. »Wir müssen ihn nur ab heute in unser Vertrauen ziehen. Allerdings werde ich nicht dulden, daß er in eine Angelegenheit hineingezogen wird, die ihn in Gefahr bringt.«
Mary nickte zustimmend. »Ich habe auch keine Lust, uns alle am Galgen baumeln zu sehen.«
Sabrina beobachtete, wie Mary ein Stück Papier aus ihrer Schürzentasche zog und die Liste mit den Haushaltsausgaben durchging. Sabrina lächelte liebevoll den gebeugten, flammend-roten Kopf ihrer Schwester an. Mary durfte nichts passieren. Auf keinen Fall Mary. Sie war viel zu gut und tugendhaft, um am Galgen zu enden. Sabrina nagte nervös an ihrer Unterlippe und ließ sich ausnahmsweise einmal von ihren Zweifeln überfluten.
Wie hatte sie sie nur da hineinziehen können? Wenn einer das Hängen verdient hatte, dann sie.
Es war ein wunderschöner Nachmittag gewesen, dachte Sabrina, als sie sich in dem farbenprächtigen Garten umsah. In wildem Durcheinander wucherten Bartnelken und Levkojen, ihr Duft mischte sich mit dem von Veilchen, Heckenrosen und wildem Thymian. Wicken, Geißblatt und Jasmin schlangen sich um die Lauben, und das Gelb und Gold von Narzissen und Ringelblu-men zog sich durch die rosafarbenen und roten Tulpen und Akeleien. Sabrina schloß die Augen und lauschte der Stille. Sie hörte das emsige Summen der Bienen an ihrem Stock im Kräu-tergarten, wo sie ihren Honig mit den würzigen Aromen von Rosmarin, Lavendel, Salbei und Majoran holten. Hier war alles so friedlich, so entspannend, so entrückt von der Welt hinter den hohen Steinmauern.
»Bist du fertig, Rina?« fragte Mary und begann, die leeren Teller einzusammeln und in einen großen Korb zu stellen. Richard warf die Reste des Brathuhns, des Schinkens und des eingelegten Salms den schwarzweißen Spaniels zu, die geduldig auf ihren Anteil des Picknicks warteten. Der Stachelbeerkuchen und der Pudding waren längst gegessen, die übrigen Früchte und den Käse packten sie wieder ein und auch den leeren Limonade-behälter.
»Ich hab’ das so genossen. Es ist so angenehm, einmal nur zu träumen und sich zu entspannen«, sagte Sabrina und streckte wohlig faul ihre Arme über den Kopf. Lachend hielt sie sich die Hände vors Gesicht, als einer der Spaniels versuchte, sie mit weicher, feuchter Zunge abzulecken. Er rollte sich im Gras, als sie spielerisch seine langen, seidigen Ohren massierte, und Sabrina lachte, als er Männchen machte und um mehr bettelte.
»Ich wünschte, jeder Tag wäre so schön«,
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