Geliebte Widersacher 03 - Zaertlicher Winter
mitnehmen und mir versichern, dass es nichts Gutes zu finden gibt, wenn Sie vorhaben, den armen Jungen einzustellen.“
Er schaute sie an und lächelte, und ihr wurde ganz …
Nein, ihr wurde davon gar nichts. Sie blickte weg.
„Ich muss nicht einmal nach einer guten Seite suchen. Ich war darauf gefasst, darüber zu reden, wie er für seine Brüder sorgt – jeder kann sehen, dass er sie liebt –, aber dann sind Sie gekommen und haben alles für sich ruiniert. Sie haben bereits allen bedrückenden, schlimmen Dingen, die Sie sagen könnten, von vornherein die Grundlage entzogen. Henry hat einen schrecklichen Unfall gehabt, aber dank Ihrer großzügigen Tat wird er darunter nicht leiden. Ihr Tun ergibt für mich keinen Sinn.“
Er lächelte nur. „Ganz im Gegenteil. Ich tue genau, was ich geplant habe.“
„Wollen Sie nicht gewinnen?“
„Doch, sicher will ich gewinnen. Das will ich sogar sehr heftig.“ Er bot ihr wieder seinen Arm für den Weg zurück, und sie nahm ihn. Manche Männer legten ihre Hand über die der Frau, wenn sie mit ihr gingen. Er hingegen legte zwei Finger auf ihr Handgelenk, aber dieser geringere Kontakt wirkte irgendwie intimer, auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte.
Sie schaute nach unten.
Oder vielleicht konnte sie doch erklären, warum es so anders wirkte. Er hatte seine Hand in den kleinen Spalt zwischen ihrem Ärmel und den Handschuhen geschoben, und seine Finger waren bloß. Sie konnte die Wärme seiner Haut auf ihrer spüren.
„Sie tragen keine Handschuhe“, bemerkte Lydia erstaunt.
Er klopfte nur mit seinen Fingern auf ihr Handgelenk und ging weiter. „Sehr genau beobachtet, Miss Charingford.“
Kleine Schneeflocken schwebten um sie herum zur Erde.
„Warum tragen Sie keine Handschuhe? Ihre Hände müssen fast erfroren sein. Es ist eiskalt.“
Aber seine Finger fühlten sich sehr warm an.
„Ich trage niemals Handschuhe, wenn ich Hausbesuche mache.“ Sein Zeigefinger zog eine Spur über ihr Handgelenk, während er sprach. „Genau genommen, trage ich praktisch gar keine Handschuhe mehr.“
Er schaute geradeaus vor sich, während er sprach.
„Ich zögere zu fragen … aber gibt es dafür einen Grund? Sie sind nicht reich genug, exzentrisch zu sein.“
Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. „Vielleicht haben Sie es schon bemerkt, Miss Charingford“, sagte er, „aber ich habe tatsächlich einige Charakterfehler. Dieser geht auf wissenschaftliche Ignoranz zurück.“
„Jetzt haben Sie meine Neugier geweckt.“
„Es gibt da eine Untersuchung von Dr. Semmelweis aus Österreich“, erklärte er. „Er ist dafür übel angegangen worden und sah sich Verleumdungen und Anfeindungen ausgesetzt. Aber ich kann keinen methodischen Fehler erkennen. Semmelweis hat in einem Krankenhaus in Wien gearbeitet und entschieden, eine kleine Veränderung bei der Ausübung seines Berufs vorzunehmen. Nachdem er eine Autopsie durchgeführt hatte und bevor er bei einer Geburt half, wusch er sich die Hände in einer Lösung aus Chlorkalk.“ Er schaute sie an. „Und er fand heraus, dass, wenn er das tat, die Fälle von Kindbettfieber um erstaunliche neunzig Prozent zurückgingen.“
„Gütiger Himmel.“
Seine Augen funkelten angeregt, sein Gang war beschwingter. Er sprach schneller und zuversichtlicher. „Betrachten Sie das in Zusammenhang mit John Snows Entdeckung. Während einer Cholera-Epidemie entfernte Snow einen einzigen Pumpenschwengel und stoppte dadurch die weitere Ausbreitung der Krankheit. Alle paar Jahre gibt es eine neue medizinische Erkenntnis, eine neue Betrachtungsweise. Da ist viel mehr, als wir verstehen und sehen können. Aber diese beiden Entdeckungen zusammengenommen … Wenn Semmelweis recht hat, übertragen Ärzte Krankheiten von einem Patienten zum anderen. Ich habe angefangen, mir die Hände zu waschen, nachdem ich bei einem Patienten war, der eine ansteckende Krankheit hat.“
„Was für ein schrecklicher Gedanke.“
„Und dann steckte ich meine Hände in die Handschuhe und begann mich zu fragen, was, wenn ich nicht alle Ansteckung weggewischt habe? Wenn nicht, wären auch meine Handschuhe verseucht. Ich würde mit den Händen in Handschuhen herumlaufen, in denen es nur so wimmelte von dem, was auch immer es ist, was Krankheiten überträgt.“ Er schaute weg. „Ein Fehler, und ich könnte meine Handschuhe unwiederbringlich verseuchen. Ich muss nicht eigens aussprechen, dass ich von da an aufgehört habe, Handschuhe zu
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