Geliebter Barbar
war so groß, daß sie aussah, als wollte sie zusammenbrechen. Sie nickte heftig. »Soll ich hier warten?«
»Warum gehst du nicht nach Hause zurück? Ich schicke Andrew zu dir, sobald wir unser kleines Gespräch beendet haben.«
Helen blinzelte durch ihre Tränen hindurch. »Danke«, flüsterte sie.
Iain hatte Judith nicht aus den Augen gelassen und fragte sich, worüber sie wohl mit Helen sprechen mochte. Helen sah elend aus, Judiths Gesicht war jedoch von ihm abgewandt, und er konnte nicht sehen, ob sie verärgert war oder nicht. Er beobachtete, wie sie nach dem Jungen hinter Helen griff. Das Kind wehrte sich, doch Judith ließ sich nicht beirren. Sie zog ihn hinter seiner Mutter hervor, drehte sich dann um und ging den Hügel hinab, wobei sie das jammernde Kind hinter sich herzerrte.
»Wohin geht Judith denn?« fragte Patrick.
Iain antwortete nicht schnell genug für Brodick. »Soll ich ihr folgen? Sie sollte nicht alleine herumlaufen, bis wir den Angreifer gefunden haben. Solange ist sie nicht sicher.«
Jetzt plötzlich verstand Iain, was vor sich ging.
»Mein Bruder kann sehr gut auf seine Frau aufpassen, Brodick. Du brauchst dich wegen ihr nicht so aufzuregen«, sagte Patrick.
Iain wandte sich seinem Bruder und Brodick zu. »Es ist nicht nötig, Judith zu folgen. Ich weiß, wer die Steine geworfen hat. Sie ist nicht in Gefahr.«
»Wer zum Teufel war es?« fragte Brodick.
»Helens Sohn.«
Beide Krieger waren verblüfft. »Aber sie hatte ihn doch an der Hand«, bemerkte er.
Patrick nickte. »Sie muß ihn gestern gesehen haben. Habt ihr beobachtet, wie sie ihn hinter sich herzerrte? Oh, sie weiß es sehr gut. Sie macht ihm wahrscheinlich gerade die Hölle heiß.«
Iain hatte recht. Genau das tat Judith in diesem Moment. Ihre Standpauke dauerte jedoch nicht lange. Der Junge war so zerknirscht und hatte solche Angst vor ihr, daß sie ihn schließlich trösten mußte. Er war gerade erst sieben Jahre alt geworden. Auch wenn er groß und kräftig für sein Alter war, so blieb er dennoch nur ein kleiner Junge.
Der Junge durchnäßte mittlerweile ihr ganzes Plaid mit seinen Tränen und flehte um Verzeihung. Er hatte sie nicht verletzten wollen. Nay, er wollte sie doch bloß erschrecken, daß sie wieder zurück nach England gehen würde.
Judith war schon halb bereit, ihn um Vergebung zu bitten, daß sie die Highlands nicht verlassen würde, so herzzerreißend klang sein Schluchzen in ihren Ohren.
»Wegen dir hat meine Mama geweint.«
Judith konnte sich nicht vorstellen, warum Helen wegen ihr geweint haben sollte, und der Junge brachte keine vernünftige Erklärung heraus. Sie beschloß, mit Helen darüber zu reden und die Sache zu klären.
Sie setzte sich mit dem weinenden Jungen auf dem Schoß auf einen flachen Stein. Sie war froh, daß der Junge ehrlich bereute, was er getan hatte. Da er bereits alles seiner Mutter gestanden hatte, war es nicht nötig, den Clansherrn damit zu behelligen, sagte sie ihm.
»Was denkt denn dein Vater von deinem Verhalten?« fragte Judith.
»Papa ist letzten Sommer gestorben«, antwortete Andrew. »Ich sorge jetzt für Mama.«
Judiths Herz flog dem Jungen zu. »Andrew, du gibst mir jetzt dein Wort, daß du keinen Unsinn mehr machst, und ich werde dir glauben. Die Sache ist damit erledigt.«
»Aber ich muß doch dem Clansherrn sagen, daß es mir leid tut.«
Sie fand das sehr edel und tapfer von dem Jungen. »Hast du Angst davor, mit dem Clansherrn zu sprechen?«
Andrew nickte.
»Soll ich es denn für dich tun?« fragte sie.
Er verbarg sein Gesicht an Judiths Schulter. »Kannst du es ihm jetzt sagen?« flüsterte er.
»Einverstanden«, sagte Judith. »Wir gehen zurück und …«
»Er ist hier«, wisperte der Junge mit vor Angst zitternder Stimme.
Judith drehte sich um und entdeckte ihren Mann direkt hinter sich. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an einem Baum.
Kein Wunder, daß Andrew versuchte, sich unter ihrem Plaid zu verstecken. Sie spürte, wie erzitterte.
Judith beschloß, den Jungen nicht länger zu quälen. Sie zog ihn von sich und brachte ihn zum Aufstehen. Dann nahm sie seine Hand und führte ihn zu Iain.
Andrew hielt den Kopf gesenkt. Iain mußte ihm wie ein Riese vorkommen. Sie lächelte zu ihrem Mann hoch und drückte Andrews Hand.
»Dein Clansherr wartet. Sag ihm, was du zu sagen hast«, wies sie ihn an.
Andrew linste hoch. Sein Blick war entsetzt, und seine Sommersprossen waren eher weiß als braun. Seine Augen schwammen in
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