Geliebter Barbar
Brodick hob eine Augenbraue über den barschen Tonfall seines Freundes. Iain hatte genug von der Unterhaltung, schloß die Augen und atmete tief ein. Irgendwie verstand er seine Reaktion Brodick gegenüber selber nicht. Er war zornig geworden, als der Krieger zugab, wie sehr ihn Judith bezaubert hatte. Hölle, er war immer noch wütend. Aber was zum Teufel kümmerte es ihn, ob Brodick die Frau besitzen wollte oder nicht? Nein, es sollte ihm egal sein. Dennoch – der Gedanke daran, daß jemand – sich selbst ausgenommen, mußte er sich eingestehen -Judith berühren könnte, brachte sein Blut in Wallung.
Noch lange lag Iain wach, während er versuchte, seine eigenen Gefühle zu begreifen.
Am nächsten Morgen hatte sich seine Laune nicht gebessert. Er wartete bis zu letzten Minute, bis er Judith weckte. Sie hatte sich die ganze Nacht nicht einmal bewegt. Das konnte er mit Sicherheit behaupten, weil er sie beobachtet hatte. Obwohl das niedrige Zelt den größten Teil ihres Körpers verbarg, ragten doch ihre Füße und Knöchel heraus, und diese hatten sich in den Stunden, die er wach lag, nicht gerührt.
Erst als die Pferde angeschirrt waren, raffte Iain sich auf. Er warf die Felle, die über die Stöcke gespannt waren, Alex zu, kniete sich dann nieder und berührte sanft Judiths Schulter. Leise rief er ihren Namen.
Sie rührte sich nicht. Iain stupste sie kräftiger an.
»Himmel, sie hat wirklich einen gesunden Schlaf«, bemerkte Gowrie. Er war herübergekommen und hatte sich an Iains Seite gestellt. »Atmet sie noch?«
In diesem Moment öffnete Judith die Augen. Was sie sah, waren zwei Riesen, die auf sie hinabstarrten, und fast hätte sie geschrien. Doch sie riß sich gerade noch zusammen, und nur ein ersticktes Keuchen entrang sich ihrer Kehle.
Iain spürte ihre Angst. Und er bemerkte auch, daß sie seine Hand ergriffen hatte. Er stand auf und half ihr hoch.
»Wir müssen weiter, Judith«, sagte er. »Warum geht Ihr nicht zum Fluß und erfrischt Euch?«
Sie nickte.
Als sie sich schließlich in Bewegung setzte, war plötzlich Brodick hinter ihr. Er legte ihr die Hände auf die Schultern, drehte sie in die richtige Richtung und gab ihr einen sanften Schubs, woraufhin sie endlich auf den Fluß zuging.
Obwohl die Männer sich königlich über ihre Benommenheit amüsierten, grinste keiner, bis sie außer Sichtweite war.
»Ob sie wohl direkt ins Wasser marschiert?« fragte Alex.
»Vielleicht wacht sie ja vorher auf«, gluckste Gowrie.
Aber Judith war hellwach, als sie schließlich das Ufer erreichte, erfrischte sich im kühlen Wasser und eilte dann auf die Lichtung zurück.
Alle außer Iain saßen bereits wartend auf ihren Pferden. Mit wem sollte sie heute reiten? Alex und Gowrie winkten sie herüber, Iain stand weiter entfernt bei seinem Pferd. Sie beobachtete, wie er aufsaß. Als er immer noch nicht zu ihr herüberblickte, entschied sie, mit Alex zu reiten. Sein Pferd stand einfach näher bei ihr.
Iain sah, wie Judith auf Alex zuging. Und plötzlich war sein nächtlicher Entschluß, sich von ihr fernzuhalten, vollkommen vergessen.
Judith wollte gerade die Hand des Kriegers ergreifen, als sie hochgerissen wurde. Iains Hengst bremste nicht einmal, als sein Reiter die Frau in vollem Galopp um die Taille packte und in seinen Sattel hob.
Sie hatte noch nicht mal eine Möglichkeit, sich festzuhalten, Iain hatte sie vollkommen in seiner Gewalt. Irgend jemand lachte hinter ihnen, und sie wollte sich umwenden, um zu sehen, wer sich so offensichtlich über sie amüsierte. Aber Iain zog sie fest an seine Brust, so daß sie sich nicht bewegen konnte.
Sein Griff war schmerzhaft, doch Judith brauchte ihn nicht zu bitten, loszulassen. Sobald sie seinen Arm berührte und sich an seiner Brust entspannte, ließ er locker.
Die nächsten Stunden waren für Judith eine kräftezehrende Prüfung. Sie waren von der nördlichen Straße abgewichen und geritten, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Erst als sie die rauhe Gebirgsgegend erreicht hatten, verlangsamten sie das Tempo, und Iain gewährte seinen Männern endlich eine kurze Rast.
Auf einer kleinen Lichtung, die von dichtem Dornengebüsch umgeben war, hielten sie an. Die stacheligen Pflanzen blühten in lebhaftem Purpur und Gelb. Judith fand es wunderschön, und sie wanderte durch dieses Farbenparadies, wobei sie sorgsam darauf bedacht war, auf keine der Blüten zu treten. Langsam kehrte das Blut in ihre steifen Beine zurück, und sie hätte sich gerne ihre
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