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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine Erinnerung.
    Ein Grabhügel, das Gebrüll der Tiger, die zur Tränke kamen. Sie beschnupperten den Kadaver des erschossenen Tigers, hoben die herrlichen Köpfe, zogen die Lefzen hoch und knurrten zu den beiden stummen Männern hin. Aber sie waren satt, sie hatten nur noch Durst … sie schlappten das Wasser in sich hinein, duckten sich am Wasserlauf, scharrten die Erde unter sich, tapsten vorsichtig in das Schlammufer und peitschten mit ihren Schwänzen den Boden. Dann schlichen sie zurück in das Schilf, lautlose, schwebende Riesenkörper … und immer ferner wurde ihr Knurren, das Fauchen und dumpfe Brüllen. Dann kam die Nacht … und die beiden Männer erwachten, weil sie froren und sich wie im Wasser liegend vorkamen. Es regnete in Strömen, das Wasser klatschte auf sie herunter, wie aus weltraumgroßen Eimern geschüttet. Sie waren zu müde und zu erschöpft, um Schutz zu suchen. Sie lagen im Regen, fühlten, wie sie aufweichten, wie ihre Körper formlos wurden, wie die Kraft wegrann mit den Bächen, die von ihren Leibern flossen.
    Am Morgen dampften sie in der glühenden Sonne. Heidkamp erwachte als erster und schüttelte Pohland hoch.
    »Wir können hier nicht verdursten«, stöhnte er und schob sich an dem Grabhügel hoch, bis er stand und wie ein Betrunkener einige schwankende Schritte versuchte. »Wenn meine Uhr stimmt, weiß ich, wo Süden ist. Können Sie gehen, Herr Pohland?«
    »Es muß.« Michael Pohland stützte sich an den aufgeschichteten Steinen und stand wie Heidkamp schwankend und dampfend unter der Sonne. Sein Herz krampfte sich zusammen, er bekam kaum Luft, die feuchte Glut nahm ihm den Atem. Der Dunst des Dschungels, dieser heiße Fieberhauch aus gärenden Sümpfen, drückte auf Lungen und Herzschlag. »Immer dem Wasserlauf nach, nicht wahr?«
    »Und den Tigern vor die Mäuler.« Heidkamp drückte die Maschinenpistole an sich. »Man sollte, wenn man keine Chance mehr hat …«
    »Quatschen Sie nicht!« schrie Pohland mit letzter Anstrengung. »Es gibt im Leben immer eine Chance … Gehen wir …«
    Drei Tage tappten sie durch den Dschungel, immer am Wasserlauf entlang, den sie verließen, wenn die Dämmerung kam. Sie schossen ein Wasserschwein und aßen es roh, weil die Zündhölzer des Obersten im Regen aufgeweicht waren und die Phosphorkuppen sich wegschabten wie Ölkreide. Heidkamp erbrach sich nach dem ersten rohen Fleischgenuß, der Ekel krümmte ihn, und er aß den ganzen Tag über nichts mehr und sah zur Seite, wenn er Pohland in das blutige, widerlich streng schmeckende Fleisch beißen sah. Aber am zweiten Tag aß auch er davon, weil er spürte, wie die letzte Kraft aus ihm wegschwamm, und am dritten Tag schoß er zwei Vögel, die sie ebenfalls roh aßen. Der Rest des Wasserschweinfleisches war im Wechsel von Regen und glühender Hitze bereits am zweiten Abend in Fäulnis übergegangen und stank süßlich.
    Am dritten Tag ging es nicht mehr … sie brachen einfach zusammen, dort, wo sie gerade standen, am Rande des Wasserlaufes. Es war ihnen völlig gleichgültig, ob die Tiger kommen würden, sie hatten keine Gedanken mehr an Gefahr oder Tod. Sie fielen um wie gefällte Bäume und merkten gar nicht, wie das Bewußtsein sie verließ und ihre Körper ein aufgesaugter Teil der grünen Hölle wurden.
    An diese Stunden erinnerte sich Pohland mit einer Klarheit, die ihn erschreckte. Er versuchte wieder, den Arm zu heben, mit dem Kopf zu nicken, sich umzusehen nach Heidkamp. Es wurde daraus eine schwache Zuckung des Leibes, weiter nichts. Aber hinter dem kleinen Mündungsloch über seiner Stirn erkannte er jetzt das breite, undurchdringliche Gesicht des Thais. Augen, die ihn voll Haß anstarrten. Einen schmalen Mund, der in seiner Verkniffenheit tödliche Mitleidslosigkeit ausdrückte.
    »Wasser …«, sagte Pohland noch einmal und schloß die Augen. »Wasser …«
    Obwohl ihn die Thais nicht verstanden, ahnten sie, wonach er bettelte. Sie hoben seinen Kopf an und setzten einen ledernen Wasserbeutel an seine Lippen. Gierig trank Pohland das warme, faulig schmeckende Wasser, dann fiel sein Kopf auf den Boden zurück, und er sah über sich wieder den blauen Himmel, die kochende Luft; er spürte erneut den Druck auf dem Herzen und die Mühe, atmen zu können. In seinem Zustand zwischen Ohnmacht und Wachsein spürte er, wie man ihn an den Stiefeln ergriff und über die Erde schleifte. Ein paarmal öffnete er für ein Wimpernzucken die Augen und merkte, wie es plötzlich dunkler um ihn war,

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