Geliebter, betrogener Mann
»Das ist besser als Ihre Wasserschweine und Paradiesvögel. Jetzt bin ich wieder Mensch, und mit einem satten Bauch kommt auch das Denken wieder. Warum sollte man uns erschießen und vorher so füttern?«
»Mir scheint das ein Überbleibsel der christlichen Erziehung des Alten zu sein: die Henkersmahlzeit. – Immerhin läßt er mit sich diskutieren. Er hegt keinerlei Feindschaft gegen uns. Es geht ihm nur um die Erhaltung seines Dorfes, das wir durch unsere Anwesenheit gefährden.« Interessiert hörte Puan Lampun dem Gespräch zu, auch wenn er kein Wort verstand. Aber er wußte, daß sich die beiden Männer über ihr Leben unterhielten oder vielmehr über ihren Tod, der draußen vor der Hütte wartete. Stumm, in Viererreihen, zerlumpte, halb verhungerte, in Fetzen gekleidete Gestalten mit kleinen, runden, gelblichen Schädeln unter geflochtenen Reisstrohhüten. Sie warteten darauf, daß Puan Lampun die beiden nackten, weißen Gestalten aus der Hütte stieß. Eine Stelle im Sumpf war schon bestimmt, in der die Körper versinken sollten.
»Mir fällt etwas ein, Doktor.« Pohland nahm Heidkamp den Teekrug aus der Hand. »Hören Sie mal auf mit Fressen und Saufen. Sie waren doch, soviel ich mich erinnere, im Krieg Spezialist für Stellungsbau?«
»Allerdings. Soll ich hier einen Bunker bauen?« Heidkamp verzog den Mund zu einem Grinsen.
»Ja.«
»Herr Pohland, bitte verzeihen Sie, aber …«
»Hören Sie doch zu! Die Leute hier haben ihr Dorf schon sechsmal überrannt bekommen. Wenn wir dem Alten einreden, daß wir aus dem Dorf eine Festung machen, ein Dschungelfort gewissermaßen …«
»Herr Pohland, das ist billigster Abenteuerroman!«
»In unserer Situation ist das Unglaubwürdige vielleicht die Rettung. Versuchen wir es.«
Drei Stunden sprachen sie mit Puan Lampun. Sie redeten auf ihn ein, Heidkamp zeichnete auf ausgebreiteter und festgetretener Asche einen Plan, entwarf Wälle und Erdbunker, Bambussperren und Fallgruben … der Alte hockte auf dem Boden, schwieg und dachte nach. Er betrachtete die Zeichnungen in der Asche, schob die Unterlippe vor und stützte den verrunzelten Kopf mit den weißen Haaren in die Hände.
Einmal trat Pohland an den Ausgang und sah hinaus. Vor der Hütte stand noch immer die zusammengeballte Mauer der Thais, stumm, mit ausdruckslosen Blicken, wartend. Schnell ging Pohland zurück in die Dunkelheit der Hütte und trat hinter Heidkamp. Der Ingenieur schilderte gerade in eindringlichen Worten den Wert von Fallgruben, deren Boden man mit angespitzten Bambuspfählen auslegen konnte. Es war ein höllisches Bild. Zwei nackte Männer, überzuckt vom Feuerschein, erklärten den Bau einer Dschungelfestung und rangen damit gleichzeitig um ihr Leben.
Puan Lampun schwieg noch immer. Erschöpft setzte sich Dr. Heidkamp wieder an die Hüttenwand und wischte sich über die schweißnasse Stirn.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte er. »Man redet ja auf eine Mumie ein.«
»Lassen wir ihn denken, Doktor.«
Auch Pohland setzte sich an die Wand und sah wartend auf den Alten. Der knöcherne Finger Puan Lampuns glitt langsam über die Linien, die Heidkamp gezeichnet hatte. Dann fuhr seine Hand über die Asche und wischte mit einer weiten Bewegung alles fort. Pohland und Heidkamp sahen sich an. Sie dachten beide das gleiche: das Ende. Man hat uns weggewischt.
»Bevor er uns denen da draußen ausliefert, erwürge ich den Alten noch«, zischte Heidkamp. »Wenn schon, dann wird richtig gestorben.«
»Messieurs!« Puan Lampun drehte den dürren Kopf zu ihnen. »Ich werde mit meinen Brüdern sprechen. Wenn Sie essen wollen oder trinken … Sie sind meine Gäste …«
Er erhob sich von der Asche empor und schlurfte ins Freie. Heidkamp zerwühlte sich das Haar.
»Hurra!« schrie er übergeschnappt. »Hurra! Es gelingt! Seine Gäste! Hurra!«
»Halten Sie den Mund, Doktor.« Pohland stand auf und ging zum Feuer. »Er kann gleich wieder hereinkommen und uns abführen lassen.«
Sie warteten über eine Stunde. Draußen war es still, als seien sie allein im Dschungel. Dann öffnete sich die Tür wieder, aber nicht Puan Lampun kam herein, sondern ein junges Mädchen. Es lächelte breit und machte einen höflichen Knicks. Dr. Heidkamp legte die Hände über seine Scham und schnaufte durch die Nase. Auch Pohland drehte sich um und kam sich in seinem Zustand denkbar peinlich vor.
»Das ist eine Gemeinheit von dem Alten«, sagte Heidkamp wütend.
Das junge Mädchen sagte etwas auf siamesisch, knickste
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